Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
er führte diesbezüglich penibel Buch –, ohne bei der Arbeit erschienen zu sein. Es war eine Vorstellung, die ihm schwer auf dem Magen lag. Es gab keinerlei Anlass, diesen 532 Tagen noch einen weiteren hinzuzufügen – vor allem, wenn er nicht ernsthaft krank war.
Treya dachte nicht anders. Von Rachels und Zacharys Geburt abgesehen, hatte sie sich nicht einen Tag freigenommen, als sie für Clarence Jackman, Wes Farrells Vorgänger, gearbeitet hatte. Und nun, nach erst wenigen Wochen mit dem neuen Chef, wollte sie unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, nicht die Zuverlässigkeit in Person zu sein.
Als sie in die Küche kam und ihren Ehemann im Bademantel sah, blieb sie kurz stehen, konnte ihm aber nur einen fragenden Blick zuwerfen, da Zachary sich vor drängelte und zum Küchentisch stürmte. Ihr Sohn war ein Jahr zuvor von einem Auto angefahren worden und trug deshalb tagsüber einen Helm, der sein Hirn vor Erschütterungen schützen sollte. Als er zu seinem Stuhl kam, starrte er ungläubig auf seinen Teller: »Rachel hat meinen Pfannkuchen gegessen!«
»Du warst ja auch nicht hier.«
»Ich war wohl hier!«
»Aber du bist wieder gegangen.«
»Hey, hey, hey.« Treya trat an den Tisch. »Hört mit dem Keifen auf. Ich mach noch mehr, für beide. Was ist mit dir, Abe? Der Teig ist schon fertig.«
»Ich könnt mir schon einen reindrücken. Danke.«
»Mehr Pfannkuchen sind in der Mache«, sagte Treya.
»Hey«, sagte Zachary. »Wie kommt es, dass du noch keine Kleider anhast?«
»Ich werde heute freinehmen.«
Treya hörte für einen Moment auf, den Teig in die Pfanne zu geben. »Wirklich?«
Glitsky nickte. »Wirklich.«
»Was willst du denn den ganzen Tag lang anstellen?«
»Nichts. Vielleicht mittags essen gehen. Vielleicht meinen Vater besuchen. Über Dinge nachdenken.«
Treya lehnte sich gegen den Herd und verschränkte ihre Arme über der Brust. »Möchtest du vielleicht etwas Gesellschaft dabei haben?«
»Ich wollte ja nicht fragen«, sagte er. »Aber wenn du selbst den Vorschlag machst: liebend gern.«
Durbin nahm den Hintereingang, als er mit halbstündiger Verspätung zur Arbeit kam. Liza Sato, seine Assistentin, runzelte die Stirn und warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er winkte wortlos ab und ging zur Kaffeemaschine.
28 Jahre jung, sympathisch, extrem kompetent, alleinstehend und definitiv attraktiv, war Liza in Durbins Augen möglicherweise der wahre Grund, warum das Geschäft so blendend lief. Sie hatte auch heute die Filiale pünktlich geöffnet – wie schon am letzten Montag, als er sich Ro Curtlees Anhörung vor Gericht angeschaut hatte. Seine Niederlassung arbeitete mit UPS , FedEx und einem weiteren Paketdienst zusammen und fungierte auch als Annahmestelle der staatlichen Post. Als Durbin ins Büro kam, hatten sich hinter allen sieben Schaltern lange Schlangen gebildet.
Eine halbe Stunde später, der morgendliche Andrang hatte sich gerade gelegt, klingelte sein Telefon. Es war die Leitung, die für private Gespräche reserviert war. Er ging in seine verglaste Bürokabine und nahm beim zweiten Klingeln ab.
Er hatte kaum Zeit, Hallo zu sagen, als er schon die Stimme seines Nachbarns erkannte, der aufgeregt rief: »Mike. Gott sei Dank, dass ich Sie gleich erreiche. Sie müssen sofort nach Hause kommen. Ihr Haus steht in Flammen.«
Im Auto versuchte Durbin – Ampeln und Stop-Schilder so konsequent ignorierend, dass er fast schon hoffte, von der Polizei angehalten zu werden –, Janice per Telefon zu erreichen, bekam aber nur ihren Anrufbeantworter.
Er sah den Rauch – viel Rauch – bereits, als er die Böschung von der Union Street zum Broadway hinauffuhr. Er war noch immer drei, vier Kilometer entfernt, aber eine dunkle Wolke, so hoch wie der Sutro Tower, stand weithin sichtbar in der Luft. Ein kleiner Küchenbrand sah anders aus. Mit quietschenden Reifen bog er schließlich in die Riviera Street, seine Straße, ein, sah aber sofort, dass er nicht einmal annähernd bis in die Nähe seines Hauses kommen würde: Obwohl sechs Feuerwehrwagen mit mindestens vier Schläuchen den Brand zu löschen versuchten, schlugen noch immer hohe Flammen aus seinem Haus.
Kathy Novio, Janices Schwester, stand an der Kommandozentrale neben einem Löschzug, als Durbin endlich in die Nähe des Haus vorgedrungen war. Sie hatte die Arme um ihre dicke Jacke geschlungen und machte keine Anstalten, die Tränen in ihrem Gesicht zu verbergen. »Ich kann einfach nicht zusehen«, sagte sie.
»Ich
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