Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
›bitte‹ sagen«, knurrte Hardy. »Bis er sich dazu durchringt, vergehen locker noch mal fünfzehn Minuten.«
Sie drehte sich zu ihrem Ehemann um. »Bei dir im Kopf läuft wirklich was falsch, weißt du das?«
» Falsch kann man das kaum nennen«, antwortete Hardy, »sondern vielleicht entrückt, vergeistigt, über allen Wolken – natürlich nur im besten Sinne des Wortes.«
»Ich seh das genau wie du, Fran«, schaltete sich Glitsky ein. »Bei ihm im Kopf tickt definitiv was nicht richtig. Ich sag ihm das schon seit Jahren.«
»Okay, jetzt reicht’s. Nun muss er wirklich ›bitte‹ sagen.«
»Herrgott noch mal!« Frannie griff Glitskys Arm und zog ihn nach drinnen.
»Deshalb liebe ich sie«, sagte Hardy. »Bei ihr sehen selbst komplexe Entscheidungen kinderleicht aus.«
Fünf Minuten später saßen Hardy und Glitsky in zwei Sesseln vor dem Kamin, Hardy mit einem Scotch, Glitsky mit dem grünen Tee, den ihm Frannie gemacht hatte. »Also«, sagte Glitsky, »was du heute Morgen gelesen hast, dass ich Ro Curtlee Tag und Nacht schikaniere …«
»Ich lese den ›Courier‹ nur unter Androhung der Todesstrafe.«
»Gut zu wissen. Aber Tatsache ist, dass Ro offensichtlich ein Alibi für den Mord an Janice Durbin hat, während ihr Ehemann keines hat.«
»Und deshalb denkst du, dass er es war?«
»Ich denke eher, dass er es gewesen sein könnte . Aber wirklich daran glauben kann ich auch nicht. Der Bursche ist wirklich ein talentierter Künstler, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine eigenen Gemälde zerfetzt, nur um Ro reinzuziehen – dann aber am Tatort nichts zurücklässt, das irgendwie Ro belasten würde. Was hätte das für einen Sinn?«
»Keinen großen.«
»Deshalb tendiere ich noch immer zu Ro, aber wenn ich falsch liege und Wes zur Grand Jury geht … Verstehst du das Problem?«
»Liegt auf der Hand: Wenn er in einem Fall unschuldig ist, bricht die gesamte Anklage in sich zusammen. Also solltest du diese Janice vergessen.«
»Aber ohne sie fehlt uns das Wiederholungstätermotiv für Ro.«
»Natürlich hast du das. Die Zeugin – wie hieß sie doch gleich? –, die er zuerst umgebracht hat, als er aus dem Knast kam.«
Glitsky nickte. »Felicia Nuñez. Sicher ist das eine Querverbindung zu seinem Prozess, aber ohne Janice Durbin haben wir kein überzeugendes Raster.«
Hardy schaute ins Feuer und nippte an seinem Drink. »Was ist mit Matt Lewis?«
Glitsky streckte seine Hand aus und schüttelte sie hin und her. »Äußerst heikel, wenn’s hoch kommt. Auch hier hat Ro, zusammen mit seinem Butler, ein Alibi. Offensichtlich haben die beiden Astronomiejünger eine Vorstellung im Planetarium besucht.«
»Na, zumindest das ist glaubhaft«, sagte Hardy sarkastisch. Dann, wieder ernsthafter: »Mir stinkt es, wenn sich die perfekten Alibis häufen. Das riecht nach Planung von langer Hand.«
»In der Tat.«
»Also, was gedenkst du zu unternehmen?«
»Ich weiß es nicht. Sieht so aus, als hinge alles von Janice Durbin ab, aber wir haben nichts in der Hand, das Ro wirklich belasten würde. Zumindest werde ich versuchen, meine Zweifel über ihren Ehemann aus dem Weg zu räumen, bevor Wes zur Grand Jury geht.«
»Richtig. Entweder wird es dort einen Durchbruch geben oder nicht.«
»Ja, aber ich möchte nicht, dass der Durchbruch darin besteht, dass ein weiterer Mord begangen wird.«
»An wem?«
»Keine Ahnung. Könnte jeder sein: Wes, Amanda, ich selbst – und ich meine das völlig ernst. Oder auch die letzte übrig gebliebene Zeugin aus seinem Prozess – vorausgesetzt, er kann sie finden.«
»Wer ist das?«
»Gloria Gonzalves, eine der Frauen, die er damals vergewaltigt hat.«
»Hast du sie im Zeugenschutz?«
»Nein.« Glitskys Gesicht spiegelte seine Frustration. »Ich kann sie auch nicht finden.«
Eine tiefe Falte bildete sich auf Hardys Stirn. »Das bedeutet also, dass sie in einem neuen Prozess nicht aussagen wird?«
»Wenn wir sie nicht auftreiben können, sicher nicht.«
»Bei einer Wiederaufnahme … hast du also eine Zeugenaussage, aber keine Zeugin?«
»Korrekt.«
Hardy gab ein Geräusch von sich, das Glitsky unschwer zu deuten wusste: Ohne Zeugin in Fleisch und Blut stand selbst die Wiederaufnahme des Prozesses auf der Kippe. Und Ro würde womöglich das Gefängnis nie wieder von innen sehen. Hardy nippte an seinem Scotch. Frannie fragte, ob Glitsky noch mehr Tee wünsche.
»Nein, ich bin versorgt. Danke.«
Frannie nickte und sagte dann zögernd: »Ich weiß, es
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