Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Haus verließ. Er hat Kathy eine SMS geschickt, dass er erst spät kommen würde. Ich schau besser mal nach.« Er stand auf und machte sich auf den Weg nach oben.
Chuck rutschte in seinem Sessel wieder nach vorne, griff sich das Gewehr, öffnete den Lauf, schaute hinein und legte es auf den Tisch zurück.
Michael kam aus dem Treppenhaus zurück. »Er ist noch immer nicht da. Scheiße.«
»Er ist ein großer Junge, Mike. Das wird schon wieder.«
»Ich hasse es, ich hasse diese ganze Situation.« Er trat einen Schritt ins Zimmer. »Was machst du denn mit dem Gewehr?«
»Wollte nur sicher sein, dass es wirklich nicht geladen ist. Du solltest nicht mit einem geladenen Gewehr durch die Welt laufen, Mike. Am Ende kommt vielleicht Jon nachts nach Hause, und du erschießt ihn noch aus Versehen.«
»Halte ich für unwahrscheinlich. Wo steckt er nur?«
»Er übernachtet sicher bei Freunden. Schick ihm doch eine SMS und sag ihm, dass du dir Sorgen machst.«
Durbin ließ sich auf das Sofa fallen. »Du hast recht, du hast völlig recht.«
»Und du solltest dir vielleicht auch etwas Schlaf gönnen.«
»Du aber auch.« Er schwieg für einen Moment. »Ich glaube, Kathy vermisst dich.«
Chuck warf ihm einen stechenden Blick zu und runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Sie hat so etwas in der Art angedeutet.«
»Das geht niemanden etwas an.«
»Behaupte ich ja auch nicht. Ich gebe es ja nur weiter. Von einem Mann, der seine Frau gerade verloren hat, an einen Mann, der seine Frau immer noch hat.«
Chuck starrte Michael mehrere lange Sekunden mit einem Blick an, aus dem offene Feindseligkeit zu sprechen schien, dann atmete er tief durch. Er schaute auf den Papierstapel auf dem Boden, dann auf den Stapel auf seinem Schoß und rang sich den Anflug eines Lächelns ab. »Tut mit leid, Mike. Ich glaube, wir sind beide mit den Nerven am Ende. Vielleicht sollten wir lieber Schluss machen für heute.«
32
Stadt-Gespräch
Von Jeffrey Elliot
Der Schreiber dieser Zeilen hatte gestern Gelegenheit, sich mit informierten Kreisen, die Einblick in die laufenden Untersuchungen haben, zusammenzusetzen, um Licht in den Fall Ro Curtlee und den Mord an Janice Durbin zu bringen. Lieutenant Abe Glitsky, der Leiter der Mordkommission, steht seit Wochen im Brennpunkt der Kritik. Sowohl von Seiten des Bürgermeisters Leland Crawford als auch von anderen Medien wird er für mutmaßliche Schikanen und ausufernde Polizeibrutalität verantwortlich gemacht.
Es ist kein Geheimnis, dass die Beziehung zwischen Glitsky und Curtlee von langjährigen Konfrontationen gekennzeichnet ist. Sie begann, als Mr. Curtlee 1998 wegen Vergewaltigung und Mord verhaftet und zu »25 Jahren bis lebenslänglich« verurteilt wurde. Zu Beginn dieses Jahres wurde das Urteil von der Neunten Kammer des Berufungsgerichts aufgehoben und eine Wiederaufnahme des Prozesses angeordnet. Seitdem befindet sich Mr. Curtlee gegen Kaution auf freiem Fuß. Seit Mr. Curtlees Entlassung wurden drei Personen ermordet, die in direktem Zusammenhang mit dem früheren Prozess stehen: Felicia Nuñez, eine Kronzeugin in besagtem Prozess, Matt Lewis, ein Ermittler der Staatsanwaltschaft, und schließlich Janice Durbin, die Frau des damaligen Geschworenensprechers Michael Durbin.
Erst in der letzten Woche kam es zu einem weiteren Eklat, der in den Medien ein umfangreiches Echo fand: Lieutenant Glitsky nahm Mr. Curtlee erneut fest, diesmal mit der Begründung, Curtlee habe seiner Familie mit Mord gedroht, er habe sich seiner Verhaftung widersetzt und sich des versuchten Mordes schuldig gemacht.
Die Verhaftung eskalierte in einer körperlichen Auseinandersetzung, auch mit Glitsky persönlich, in deren Verlauf Mr. Curtlee mehrere Verletzungen erlitt, unter anderem einen gebrochenen Arm. Zwei der verhaftenden Polizisten wurden ebenfalls verletzt. Wieder wurde Ro Curtlee auf Kaution entlassen.
Der kleinste gemeinsame Nenner in all diesen Vorfällen ist aber nun einmal Ro Curtlee. Aus diesem Grunde suchte die Polizei ein Gespräch mit Mr. Curtlee – dem von seinem Anwalt auch stattgegeben wurde –, um seinen Aufenthalt zur Zeit der beiden letzten Morde zu überprüfen. Mr. Curtlee konnte in beiden Fällen ein Alibi erbringen, und das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Stand der Ermittlungen.
Auch wenn der »Courier«, eine Curtlee-eigene Zeitung, die Hysterie in den letzten Tagen immer wieder aufs Neue zu schüren suchte, so gibt es keinerlei Anlass zu der Vermutung, dass die Polizei den
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