Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Ausführungen abschloss. »Gibt es noch Fragen von der Grand Jury? Mr. Farrell, Sie sind entlassen.«
Nachdem er, wie jeder andere Zeuge, vom Geschworenen-Obmann daran erinnert wurde, dass seine Aussage nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei, stand Farrell auf, nickte Jenkins kurz zu und verließ das Zimmer.
Zurück in seinem Büro, schloss Farrell die Tür hinter sich ab. Angesichts seines zynischen Schachzugs zitterte er am ganzen Körper. Er ging zu seinem Kickertisch, griff zwei der Stangen und stützte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf ab. Dann schloss er die Augen, atmete tief durch und schluckte den aufkommenden Brechreiz herunter.
Er hatte oft genug kritische Situationen erlebt – nicht nur in seinen Prozessen, sondern auch in seiner gescheiterten Ehe, mit seinen Kindern, überhaupt in seinem Leben. Und trotzdem hatte er sich immer als ehrlichen Mann, als Mensch mit Charakter gesehen. Und genau diese Vorstellung hatte er gerade – bewusst und mit Vorsatz – über Bord geworfen.
Aber andererseits wollte er sich auch nichts vormachen: Was er der Grand Jury gesagt und gezeigt hatte, war vielleicht noch halbwegs relevant, aber wie er es getan hatte, dass er selbst als Zeuge in seinem eigenen Fall aufgetreten war – das war zumindest höchst unprofessionell und entsprach nicht seinem beruflichen Ethos. Er hatte etwas getan, von dem er wusste, das er es nicht hätte tun dürfen.
Bei einer Grand Jury gab es keine Kontrolle seiner Machtbefugnisse, und er hatte sich von dieser Konstellation korrumpieren lassen. Er erinnerte sich daran, was Treya ihm an seinem ersten Tag im neuen Job gesagt hatte: dass Clarence Jackman, sein Vorgänger, nur deshalb so lang im Amt geblieben sei, weil er nach Macht süchtig wurde. Inzwischen verstand er, was sie damit gemeint hatte.
Dies war sein Rubicon: Er spielte mit gezinkten Karten, was ihm auch bewusst war – genau wie die Tatsache, dass er es unter vergleichbaren Umständen wieder tun würde.
Und plötzlich machte das Zittern einer innerlichen Gelassenheit Platz. Er ließ die Griffstangen los und verlagerte sein Gewicht wieder auf die Füße. Er betrachtete die zersplitterten Überreste seines Gewissens wie aus weiter Entfernung, und spürte weder Schuld noch Schmerz, sondern allenfalls ein schwaches Mitleid mit den letzten Überbleibseln seiner idealistischen Jugend.
Jetzt sorgte er sich in erster Linie darum, dass Jenkins – dort drüben in der geheiligten Verschwiegenheit des Grand-Jury-Zimmers – ihre zwölf Stimmen zusammenbekam.
34
»Tut mir leid, Abe«, sagte Amanda Jenkins. »Ich kann mit der Heulerei einfach nicht aufhören.«
»Heulen ist gut. Wir sind hier schließlich nicht beim Baseball. Heulen wird bei der Polizei nicht nur geduldet, sondern auch gefördert. Es gibt sogar Kurse.« Er versuchte, die Stimmung aufzulockern.
Es klappte nicht. »Ich weiß nicht, ob es der Hund war, dieser dumme, wundervolle Hund, oder einfach nur die Erleichterung oder Matt. Ich meine, Matt … Ich kann es immer noch nicht fassen …« Sie konnte nicht weiterreden und tupfte sich mit dem Taschentuch die Augen ab.
Glitsky nahm sie in den Arm. Sie war zu ihm ins Büro heruntergekommen, um ihm von den positiven Entwicklungen aus dem Sitzungssaal zu berichten, doch kaum hatte sie angefangen, war sie von ihren Gefühlen überwältigt worden. Im Gerichtsgebäude hielt sie es nicht mehr aus, also hatte sie sich Glitskys Regenmantel ausgeborgt – und gemeinsam waren sie die Treppe hinunter zur Bryant Street gegangen und trotteten nun durch den nebligen, kalten, grauen, windigen Frühnachmittag.
»Und es gibt noch etwas, das ich einfach nicht abstellen kann«, sagte sie. »Ich kann nicht aufhören, mir zu wünschen, dass sie ihn einfach abknallen. Ich wünsche mir aus ganzem Herzen, dass die Anklage erfolgt – und dass er sich dann der Verhaftung widersetzt und dabei erschossen wird.«
»Vielleicht kommt es ja dazu.«
Sie gingen einen halben Häuserblock, ohne ein weiteres Wort zu wechseln. Glitsky legte seinen Arm um ihre Schulter, ließ ihn dann aber wieder sinken. Sie liefen nebeneinander weiter.
»Sollten wir die Anklage bekommen, glauben Sie wirklich, dass wir ihn dann auch schnappen können?«
»Ich wüsste nicht, was daran so schwierig sein sollte. Beim letzten Mal haben wir ihn auch geschnappt. Es war nicht ganz einfach, aber wir haben ihn gekriegt. Und werden es wieder tun.«
»Wer ist denn damit beauftragt?«
»Lapeer hat ein paar Teams für einen
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