Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
wird vom Sohn ihres Bosses vergewaltigt – und macht dann das völlig Richtige und sagt gegen ihn aus. Dann ar-beitet sie bei einer Reinigungsfirma, lebt allein, hat vermutlich nie wieder einen Partner, weil sie sich wegen der Vergewaltigung viel zu sehr schämt. Und kaum ist Ro aus dem Gefängnis, bringt er sie um und verbrennt ihre Leiche.« Frannie griff zu Hardys Serviette und trocknete ihre Tränen. »Es ist einfach so unfassbar ungerecht.«
»Hey.« Hardy stand auf, ging um den Tisch und legte seinen Arm um sie. »Hey«, sagte er noch einmal behutsam. Er küsste sie auf den Kopf, und sie lehnte sich an ihn.
Nach einer Minute seufzte sie auf. »Ich weiß selbst nicht, warum, aber mitten in der Nacht fielen mir wieder Abes Worte ein, dass es niemanden gäbe, der sie betrauern würde. Niemanden, der kommen und zumindest ihre Leiche abholen würde. Und das hat mich einfach so unendlich traurig gemacht. Also bin ich zur Kirche gegangen, hab eine Kerze angezündet und für sie gebetet. Ich weiß, dass es banal ist und wahrscheinlich abergläubisch, aber ich dachte …«
»Das ist wundervoll von dir«, sagte Hardy. »Und du bist eine wundervolle Frau.«
»Das wollte ich damit nicht gesagt haben, aber … zumindest war es eine kleine Geste für jemanden, der nie etwas gehabt hat, dem das Leben nicht einmal eine kleine Chance gewährt hat. Verstehst du, was ich sagen will? Ich hatte das Gefühl, einfach irgendwas unternehmen zu müssen. Damit sie zumindest – wenn es so etwas gibt – in Frieden ruhen kann. Verstehst du?«
Hardy nahm sie noch einmal fest in den Arm. »Amen.«
Da das Geschenk, das sie für Zachary Glitskys vierten Geburtstag gekauft hatten, ein reichlich sperriges Elektro-Keyboard war, hatte Hardy seine Frau mit dem Geschenk vor Glitskys Haus abgesetzt, um sich dann auf die Suche nach einem Parkplatz zu machen. Als er endlich an der Haustür klingelte, hörte er Glitskys Schritte im Flur und dann die Frage: »Wer ist da?«
»Der Osterhase.«
»Dann bist du aber ein paar Wochen zu früh dran.«
»Der Osterhase hat halt einen großen Hops nach vorne gemacht. Guter Spruch, was?«
»Ein echter Schenkelklopfer.«
»Und, machst du jetzt die Tür auf?«
»Nur wenn du Bitte sagst.«
Als Wes Farrell und Sam Duncan zehn Minuten später bei Glitskys Haus ankamen, saß Hardy noch immer auf der Treppe und kühlte sein Mütchen.
Farrell, ein kleines Paket mit Geschenkpapier unterm Arm, war sichtlich überrascht, seinen einstigen Partner vor Glitskys Haustür anzutreffen. »Hey, Diz. Was machst du denn hier? Ist Abe nicht zu Hause? Sollte hier nicht eine Party steigen?«
»Natürlich ist er zu Hause.« Hardy stand auf, drückte Farrell die Hand und nahm Sam in den Arm. »Er hat mal wieder seine infantile Phase. Schauen wir mal, ob er für dich aufmacht.« Hardy klingelte erneut. Wieder hörte man Glitskys Schritte im Haus. »Wer ist da?«
»Sag bloß nicht der Osterhase«, flüsterte Hardy.
Farrell schaute ihn fragend an. »Ich glaube, ich kann’s mir verkneifen.« Dann, Richtung Tür: »Wes Farrell, Bezirks-Staatsanwalt.«
»Er kann das gar nicht oft genug sagen«, spöttelte Sam. »Es klingt so, als sei er ein Action-Held.«
»Hey«, sagte Farrell, »ich bin ein Action-Held!«
Die Tür öffnete sich. Nachdem man sich freundschaftlich begrüßt hatte, schaute Glitsky an Wes und Sam vorbei und sagte scheinbar überrascht: »Hey, Diz, wann bist du denn gekommen?«
»Gerade jetzt mit den anderen.«
Frannie kam aus der Küche, schaute über Glitskys Schulter und sah ihren Gatten. »Baby, ich hab mir schon Sorgen gemacht. Hast du keinen Parkplatz gefunden?«
»Nur ein paar Kilometer weiter die Straße runter.«
Zwanzig Minuten später standen die drei Männer in einer Ecke von Glitskys Garten, während sechs Frauen, Glitskys Vater und eine Horde Kinder »Steck dem Esel den Schwanz an« spielten.
»Du kannst Gift darauf nehmen, dass es für Novio keine Kaution geben wird«, sagte Farrell.
»Auf welcher rechtlichen Basis?«, wollte Hardy wissen.
»Er hat ihr aufgelauert, und damit haben wir die ›erschwerenden Umstände‹.«
»Er hat ihr in ihrem Haus aufgelauert?«
»Diese Position werde ich jedenfalls vertreten.«
»Wie lange hat er ihr denn aufgelauert?«
»Lange genug«, sagte Glitsky.
»So was kann nur ein Cop sagen«, antwortete Hardy. »Woher weißt du denn, dass er nicht brav an der Tür geklopft hat und so reingekommen ist, wie er’s schon hundert Mal zuvor gemacht
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