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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dass er es bald tun würde. Schließlich stand das Greenfront innerhalb seines kleinen Wirkungskreises, und alle diese Zeitstränge im Kopf zusammenzuhalten musste wehtun. Mehrfache Vergangenheiten waren schlimm genug, aber wenn man mehrfache Zukünfte hinzufügte? Da würde jeder zum Trinker werden, wenn es Alkohol gab.
    Ich hatte eine Stunde im Jahr 2011 verbracht. Vielleicht etwas länger. Wie lange war das für ihn gewesen? Ich wusste es nicht. Ich wollte es nicht wissen.
    »Gott sei Dank«, sagte er … genau wie zuvor. Aber als er wieder meine Hand mit beiden Händen umfassen wollte, wich ich zurück. Seine Fingernägel waren jetzt lang und hatten schwarze Trauerränder. Die Finger zitterten. Das waren die Hände – und der Mantel und der Filzhut und die im Hutband steckende Karte – eines zukünftigen Trinkers.
    »Du weißt, was du tun musst«, sagte er.
    »Ich weiß, was du willst, dass ich es tue.«
    »Hier geht’s nicht ums Wollen. Du musst noch mal zurückgehen. Wenn alles gut geht, kommst du in dem Diner heraus. Er wird bald fortgeschafft, und wenn das geschieht, platzt die Blase, die all diesen Wahnsinn verursacht hat. Dass sie überhaupt so lange existiert hat, ist ein Wunder. Du musst den Kreis schließen. «
    Er griff wieder nach mir. Diesmal tat ich mehr, als nur zurückzuweichen; ich warf mich herum und rannte in Richtung Parkplatz davon. Er spurtete hinter mir her. Wegen meines schlimmen Knies schmolz mein Vorsprung mehr zusammen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Ich hörte ihn dicht hinter mir, als ich an dem Plymouth Fury vorbeilief, dem Double des Wagens, den ich eines Nachts auf dem Innenhof der Candlewood Bungalows gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte. Dann erreichte ich die Kreuzung von Main Street und Old Lewiston Road. Auf der anderen Straßenseite stand der ewige Rockabilly-Rebell, der einen schwarzen Stiefel halb hochgehoben hinter sich gegen die Bretterverschalung der Kennebec Fruit stemmte.
    Ich rannte über die Gleise und fürchtete, mein schlimmes Bein könnte auf dem Schotter nachgeben, aber Lang war derjenige, der stolperte und hinschlug. Ich hörte ihn aufschreien – ein verzweifeltes, einsames Krächzen – und hatte flüchtig Mitleid mit ihm. Eine schwere Pflicht, die dieser Mann hatte. Aber Mitleid konnte mich nicht aufhalten. Die Erfordernisse der Liebe waren grausam.
    Der Lewiston Express kam herangebrummt. Der Fahrer hupte mich an, als ich dicht vor dem Bus über die Kreuzung hinkte. Ich musste an jenen anderen Bus voller Leute denken, die den Präsidenten sehen wollten. Und natürlich die First Lady, die in dem rosa Kostüm. Zwischen ihnen ein Strauß Rosen auf dem Sitz. Nicht gelb, sondern rot.
    »Jimla, komm zurück!«
    Das stimmte. Ich war letzten Endes doch Jimla, das Ungeheuer aus Rosette Templetons Albtraum. Ich hinkte eilig an der Kennebec Fruit vorbei, jetzt mit weitem Vorsprung vor dem Mann mit der ockerfarbenen Karte. Dieses Wettrennen würde ich gewinnen. Ich war Jake Epping, Highschool-Lehrer; ich war George Amberson, aufstrebender Schriftsteller; ich war der Jimla, der bei jedem Schritt, den er machte, die ganze Welt gefährdete.
    Trotzdem eilte ich weiter.
    Ich dachte an Sadie, groß und kühl und schön, und rannte weiter. Sadie, die zu Unfällen neigte und über einen schlimmen Mann namens John Clayton stolpern würde. An ihm würde sie sich nicht nur das Schienbein anschlagen. Die Welt um der Liebe willen ganz verloren – war das von Dryden oder von Pope?
    An der Chevron-Tankstelle machte ich keuchend halt. Auf der anderen Straßenseite rauchte der Beatnik, dem der Jolly White Elephant gehörte, seine Pfeife und beobachtete mich. Der Mann mit der ockerfarbenen Karte stand an der Einmündung der Gasse hinter der Kennebec Fruit. Weiter konnte er in dieser Richtung anscheinend nicht.
    Er streckte die Hände nach mir aus, was schlimm war. Dann fiel er auf die Knie und faltete die erhobenen Hände, was noch viel schlimmer war. »Bitte tu das nicht! Du musst doch wissen, wie hoch der Preis ist!«
    Ich wusste es und hastete trotzdem weiter. An der Kreuzung gleich jenseits der St.-Joseph-Kirche stand eine Telefonzelle. Ich schloss die Tür hinter mir, schlug im Telefonbuch nach und warf eine Münze ein.
    Als das Taxi kam, rauchte der Fahrer Luckies und hatte sein Radio auf WJAB eingestellt.
    Die Geschichte wiederholte sich.

Abschließende Notizen
    ABSCHLIESSENDE NOTIZEN
    30. 9. 58
    Ich verkroch mich im Tamarack-Autohof in Wohneinheit 7.
    Ich zahlte

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