Der Antares-Krieg
sich zu orientieren. Dann brachten die kalte Feuchtigkeit der Laken und das unangenehme Gefühl an ihrer Haut sie in die Wirklichkeit zurück. Fröstelnd und mit Herzklopfen lag sie da und fragte sich, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie horchte nach dem dünnen Schrei des kleinen Ritchie, der noch immer getreulich meldete, wenn es drei Uhr früh und Zeit für die Fütterung war. Statt der leisen, stotternden Laute des Unbehagens, die dem anhaltenden, vernehmlichen Winseln vorausgingen, hörte sie nur die Nachtgeräusche der Stadt. Einen Moment lauschte sie dem hohlen Pfeifen eines Bilrobin, eines bunten, doppelt geflügelten Tieres, das in den Zweigen der Tontinbäume vor dem Haus wohnte. Die Bäume waren anlässlich ihrer Hochzeit mit Richard von Clarence Whitlow gepflanzt worden, ihrem Onkel, der in den vergangenen sechs Jahren ungezählte Stunden damit verbracht hatte, die Gewächse am Leben zu erhalten. Die einheimischen Pflanzen von Alta gediehen im Allgemeinen schlecht, wenn sie mit den importierten Formen von der Erde, die von den frühesten Siedlern mitgebracht worden waren, vermischt wurden. Auch im Haus waren keine anderen Geräusche als ihr eigenes Atmen und das dumpfe Pochen des Herzschlags in den Schläfen zu hören. Schweißbedeckt und schwer atmend überlegte sie, ob sie wieder einen ihrer häufigen Albträume gehabt hatte, obwohl die Erinnerung daran gewöhnlich scharf und klar war, wenn sie erwachte.
Die Grundzüge der Albträume waren immer die gleichen, nur die Einzelheiten änderten sich von Fall zu Fall. Sie sah ihren Mann auf der Brücke seines Schiffes, wie sie ihn auf ihren früheren gemeinsamen Expeditionen nach New Providence und dann durch den Nebel zur Erde so oft gesehen hatte. In ihren Träumen war er die starke, gebieterische Erscheinung, in die sie sich verliebt hatte.
Dann wurde das Schiff ohne Warnung von einem Ryalltorpedo getroffen. Das Schiff schien sein altes Kommando zu sein, der altanische Kreuzer Discovery und nicht das neue Flaggschiff. In ihrem Traum sah sie den nuklearen Gefechtskopf durch die papierdünne Schiffswandung stoßen und in einem Feuerball eruptieren. Die Hitze von Millionen Grad, die in Wirklichkeit nur eine Mikrosekunde benötigen würde, um alles einzuhüllen und zu verdampfen, eruptierte in ihrem Traum in Zeitlupe. Richard stand erstarrt da, den Mund geöffnet, um einen Befehl zu geben, als das nukleare Feuer durch das Schott hervorbrach und als feurige Wand unerbittlich auf ihn zukam. In ihrem Traum hatte er noch Zeit, sich umzudrehen und das Nahen des Todes zu sehen, und die Entschlossenheit in seinen Augen wurde zu Furcht, dann zu Zorn, als hätte das Schicksal ihn im Augenblick seines größten Erfolges seiner Bestimmung beraubt.
Der Traum endete immer gleich. Richard riss den Mund auf und schrie, als die Glut ihn erreichte und sein Fleisch zu verbrennen begann. Das war jedesmal der Augenblick, wenn Bethany erwachte.
Die weibliche Vorahnung oder Telepathie vom Tod des Partners war seit Jahrhunderten ein beliebtes Thema für Holovision und schlechte Liebesromane. In einem Universum, wo Nachrichten auf die Lichtgeschwindigkeit begrenzt waren – es sei denn, sie gingen durch die Faltpunkte – und wo die Relativität die Gesetze der Gleichzeitigkeit aufgehoben hatte, hatten solche Vorahnungen oder telepathischen Visionen keine mögliche Basis in der Realität. Es gab für sie keine Möglichkeit, den Todeszeitpunkt ihres Mannes zu kennen, ganz gleich, wie sehr sie einander liebten.
Dass sie sich diesmal nicht des Schreckens erinnern konnte, verursachte ihr noch mehr Unbehagen als sonst. War ihre Angst so groß, dass ihr Bewusstsein die Erinnerung nicht länger bewahren konnte? Als ihr klar wurde, dass der Schlaf auf sich warten ließe und der Säugling innerhalb der nächsten Stunde genährt werden musste, stand sie auf und schlüpfte in ihren Morgenmantel, bevor sie durch die Tür ihres Schlafzimmers in den Innenhof trat.
Das Haus, das Richard und sie gebaut hatten, stand auf einem der Hügel über Homeport. Von hier aus konnten sie die Lichter der Stadt sehen, zweigeteilt vom breiten Band des Flusses Tigris. Antares stand am Himmel, und wenn er auch bei weitem nicht mehr die Leuchtkraft hatte, die in den frühen Tagen nach dem Novaausbruch alle anderen Lichter am Nachthimmel überstrahlt hatte, war er noch hell genug, um dem größeren von Altas Monden Konkurrenz zu machen. Die doppelte Illumination übergoss den Fluss mit silbrigem Funkeln,
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