Der Apotheker: Roman (German Edition)
Überfluss und Negersklaven, so weit das Auge reicht. Billiger als eine Ehefrau und sehr viel gefügiger. Stell dir mich auf einer Plantage vor, auf jedem Knie ein Negermädchen, wie ich mit mindestens einem deiner einstigen Männer ein Glas trinke. Was könnte sich ein Gentleman mehr wünschen?«
Er verlor kein Wort über seine Schulden oder über Mrs Black. Wie die Träume so vieler Hasardeure in London lagen auch die seinen in Trümmern, zerstoben in dem Augenblick, als er sich ihrer Verwirklichung nahe geglaubt hatte. Er hätte sich gewiss nicht träumen lassen, dass Mrs Black, die sich stets so in der Gewalt gehabt hatte, durch den Tod ihres Mannes derart aus dem Gleichgewicht geraten könnte. Dass Mr Black einen Bruder hatte, erfuhr Edgar erst, als dieser mit seiner Familie wie aus dem Nichts auftauchte, Mrs Black in die Obhut einer Cousine gab, die von ihrer neuen Aufgabe alles andere als begeistert war, und die Apotheke an sich riss. Edgar hatte gerade noch Zeit gehabt, die Schriftstücke des Apothekers, die er von einigem Wert erachtete, zu einem Bündel zu schnüren und mir zur Verwahrung anzuvertrauen. Er wäre nicht Edgar gewesen, wenn er nicht die Geistesgegenwart besessen hätte, der ältesten Tochter von Mr Blacks Bruder einen Heiratsantrag zu machen. Seiner Aufmerksamkeit war es gewiss nicht entgangen, dass sie nicht nur sehr viel jünger war als ihre Tante, sondern auch einen weitaus üppigeren Busen besaß.
Natürlich hatte sie abgelehnt. Edgar hatte sich wohl oder übel mit dem Scheitern seiner Bemühungen abgefunden. Mit der Frau des Apothekers schien auch ein Wesenszug von Edgar verschwunden zu sein. An jenem trüben Nachmittag sagte mir ein kleinerer, ruhigerer Mensch Lebewohl. Ich wusste, ich würde ihn nie mehr wiedersehen, und empfand einen Anflug von Zuneigung für den Lehrling, jedoch kein Bedauern. Wenn er das Haus verließ, würde er die letzten Spuren der Swan Street und all dessen, was dort aus mir geworden war, mit sich fortnehmen.
»Kindermädchen und Hure«, murmelte er leise und ohne jede Boshaftigkeit. »Wahrhaftig eine sichere Zukunft und eine bessere, als sie den meisten in London beschieden ist.«
Ich antwortete nicht, sondern verschränkte nur die Arme vor der Brust und warf einen Blick in die Wiege. Der schlafende Säugling gähnte und entblößte dabei seinen rosigen Gaumen. Seine Nase zuckte wie die Schnauze eines Kaninchens.
»Er wird bald wieder verschwinden«, sagte ich lautlos zu Mary. »Dann haben wir wieder unsere Ruhe, wir drei. Wie wir es mögen.«
»Fühlst du dich hier nicht einsam, so allein?«, fragte Edgar.
»Ich bin nicht allein«, antwortete ich.
»Und wenn er deiner überdrüssig wird?«
Ich beugte mich hinunter und nahm den Kleinen in die Arme. Er hatte die Augen aufgeschlagen und blinzelte mich unter seinen schweren Lidern wie benommen an. Ich küsste ihn sanft auf die Nasenspitze.
»Ein Kind wird seiner Mutter niemals überdrüssig.«
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Auf Wiedersehen, Edgar. Und viel Glück.«
Als Edgar gegangen war, trug ich das schläfrige Kind die Treppe hoch zu seiner Amme. Bald würde der Junge entwöhnt werden, dann würde auch sie das Haus verlassen. Die Amme war eine freundliche Schottin von ausgeglichener Wesensart, aber ich war froh, sie wieder loszuwerden. Auf ihre Art war sie entgegenkommend und dem Kind gegenüber, das sie einen armen Waisenjungen nannte, beinahe zärtlich. Trotzdem blieb es für mich schwierig, auf so engem Raum mit jemandem zu leben, der Mary nicht gekannt hatte. Das Cottage war klein, und ihr müßiges Geschwätz schien sich überall breitzumachen, ja, sie schien Mary geradezu zu verdrängen. Wenn sie mich anstupste und mir zuzwinkerte und fröhlich murmelte, wir beide hätten wirklich Dusel gehabt, in so schwierigen Zeiten an einen so großzügigen Arbeitgeber geraten zu sein, runzelte ich nur die Stirn und gebot ihr zu schweigen. Es war mir unangenehm, sie so über Marys Vater sprechen zu hören, wo Mary es doch ebenfalls hören konnte.
Während ich Edgars Tasse in das Spülbecken stellte, sprach ich mit Mary. Es gelte, sagte ich zu ihr, den Winter zu überstehen. Aber wenn erst der Frühling käme, würde ich wieder anfangen, Pflanzen zu sammeln. Das Cottage befand sich am Rand eines kleinen Weilers, der sich immer weiter in Richtung des größeren Dorfes Hampstead ausbreitete. Hier wuchsen zahlreiche Kräuter, und in dem Gärtchen hinter dem Haus würde ich zusätzlich welche
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