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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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anpflanzen können. Mit Opium und ähnlichem fremdländischen Zeug wollte ich nichts mehr zu tun haben, aber ich hatte vor, Schönheitstinkturen für Frauen herzustellen, Wässerchen für die Gesichtspflege sowie Cremes zur Vergrößerung des Busens oder für die Behandlung weißer Frauenhände. Mithilfe meiner Mittel würde eine Frau über die Launen der Natur triumphieren und sich stets jung und schön fühlen. Mary, die nach ihrem Tod sehr viel ironischer geworden war, fand die Idee großartig.
    Ich wollte noch damit warten, Mr Jewkes von meinem Plan zu erzählen. Er hatte versprochen, für mich und das Kind zu sorgen, und zu diesem Zweck von seinem Anwalt sogar ein Dokument aufsetzen lassen, damit seine Frau nicht die Möglichkeit hatte, seine Absichten zu vereiteln. Es sei ausreichend Geld vorhanden, versicherte er mir. Anders als die meisten Londoner hatte Mr Jewkes den Zusammenbruch des Aktienmarkts im Sommer unbeschadet überstanden und sogar in Norfolk ein Anwesen gekauft – für eine Geldsumme, die noch vor Wochen lächerlich erschienen wäre. Er meinte, es falle ihm nicht schwer, großzügig zu sein.
    Dem Kind brachte er eine außerordentliche Liebe und Zärtlichkeit entgegen. Er besuchte uns, so oft er konnte. Dann wiegte er den Kleinen auf den Knien, sang ihm Kinderreime vor und verzog sein Metzgergesicht zu lustigen Grimassen, um ihn zum Lachen zu bringen. Unser Cottage, sagte er mir einmal und ließ sich zufrieden in den Sessel neben dem Kamin fallen, besitze eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Haus, in dem er selbst aufgewachsen sei. Für ihn war es ein Ort, an dem er seinen steifen Kragen lockern und sich ein wenig Entspannung gönnen konnte. Ich gewann den Eindruck, dass er sich in dem Haus in Norfolk so vorsichtig wie ein Besucher verhalten musste, ängstlich darauf bedacht, die kostbaren Teppiche nicht schmutzig zu machen und das Porzellan nicht zu zerbrechen. Ich stellte mir vor, wie seine Frau zusammenzuckte, wenn er sich mit Schuhen auf eine seidenbespannte Chaiselongue legte oder sich mit einer spitzenbesetzten Serviette die Nase putzte. Zwar beklagte er sich nie über sie, aber wenn ich ihm auf einem verbeulten Blechteller heiße Hefebrötchen frisch aus dem Ofen servierte, wurde seine Miene sanft, und er stieß einen wohligen Seufzer aus. Da wusste ich, dass er mit den Verfügungen, die er getroffen hatte, zufrieden war.
    Mit Geldverdienen brauchte ich mich nicht zu befassen, obwohl ich es gern getan hätte. Mir kam die Idee, dass ich nach meiner Mutter schicken könnte, wenn ich ein wenig Geld beisammenhätte. Vorausgesetzt, sie war noch am Leben. Der Gedanke gefiel Mary außerordentlich. Ich würde mich weiterbilden und meine Lese- und Schreibfähigkeit verbessern, damit ich unserem Sohn die Freuden der Bildung vermitteln konnte. Auf die Weise, so erklärte ich Mary, könnte ich dann auch unsere Geschichte aufschreiben, damit unser Sohn eines Tages, wenn er alt genug war, erfuhr, unter welchen Umständen er zur Welt gekommen war und wie er allen Widrigkeiten getrotzt und sich den Entgleisungen einer teuflischen Fantasie erfolgreich widersetzt hatte – wahrhaft er selbst und wahrhaft geliebt, vollkommen, wie nur je ein Junge sein konnte, sei es in der Wirklichkeit, sei es im Märchen.
    Das ist nun vollbracht. Marys Grabstein ist inzwischen moosüberwachsen und die auf das Grab gehäufte Erddecke von saftigem Maiengrün überzogen. Henry und ich waren gestern am Grab und haben Blumen mitgebracht – einen Strauß Glockenblumen, die Henry selbst gepflückt oder, besser gesagt, aus dem Boden gerissen hatte. An den erschrockenen Wurzeln hingen noch Erdklumpen. Seine Hände sind mollig, die Knöchel in das weiche Fleisch eingebettet. Es sind noch nicht die eines jungen Mannes, aber sie sind stark und kennen kein Zaudern. Während wir zu unserem Cottage zurückgingen, staunte ich über die Flinkheit seiner Gliedmaßen, womit er den Eindruck erweckte, als erwartete er voller Ungeduld den nächsten Moment seines Lebens. Ich bin unschlüssig, wie viel von diesem Bericht ich ihm zeigen oder welche der Schriftstücke, die Edgar mir anvertraut hat, ich ihm später einmal zu lesen gebe. Noch bin ich nicht so weit, ihm zu sagen, dass es auf dieser Welt Menschen gibt, denen man nicht trauen kann.
    Als wir das Friedhofstor hinter uns schlossen, entdeckte Henry hinter einer Weißdornhecke eine Katze. Er krabbelte auf sie zu und fing an, sie in ein ernstes Gespräch zu verwickeln. Während ich wartend

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