Der Apotheker: Roman (German Edition)
an den Armen und hielt sie fest, als Edgar von der Tür des Labors aus auf den Flur herauslugte, das Gesicht verzerrt vor Angst und Bestürzung.
»Bring ihr etwas zur Beruhigung ihrer Nerven«, befahl Jewkes dem Lehrling, als Mrs Black mit den Füßen nach mir trat, die Zähne gefletscht wie ein wildes Tier. »Schnell, ich bitte dich. Und du, Eliza, nimm das Äffchen und geh. Sonst beruhigt sie sich überhaupt nicht mehr.«
Mrs Black versuchte sich Jewkes zu entwinden.
»Hol das Kind«, schrie sie Edgar an. »Es ist die Treppe hinaufgelaufen. Ich muss das Kind wiederhaben.«
Edgar zögerte, dann richtete er sich auf. »Jewkes, was in Gottes Namen geht hier vor?«, presste er mit piepsender Stimme heraus.
»Edgar, um Himmels willen!«, kreischte Mrs Black. »Wir brauchen das Kind. Und die Schriftstücke. Sämtliche Schriftstücke. Hol sie aus seinem Arbeitszimmer, Edgar, ich bitte dich. Denk nur, was sonst aus uns werden soll. Wir können doch nicht zulassen, dass dieser Gauner uns wegnimmt, was uns rechtmäßig gehört.«
»Glauben Sie mir«, sagte Jewkes ärgerlich. »Ich will Ihnen nichts wegnehmen.«
Edgar stutzte, und sein Blick flog ängstlich zwischen Mrs Black und Jewkes hin und her. Dann machte er langsam einen Schritt nach vorn und packte seine Herrin an den Beinen. Mit vereinten Kräften trugen er und Jewkes sie in den Salon.
»Mr Black!« Mrs Blacks Stimme klang jetzt jämmerlich wie das Miauen einer Katze in einem Sack. »Mr Black, warum lassen Sie zu, dass man mich so behandelt? Warum helfen Sie mir nicht?«
Die Tür schloss sich. Schatten zitterten an der Wand und kamen schließlich zur Ruhe. Plötzlich ein Poltern auf der Treppe. Flink wie eine Ratte huschte das Äffchen über den Flur ins Labor. Ich folgte ihm und rief seinen Namen, vergeblich. In dem düsteren Raum konnte ich das Tier zwar nicht sehen, hörte es aber zwischen den mit Flaschen gefüllten Regalen an der gegenüberliegenden Wand.
»Auf Wiedersehen, Eliza.« Ich drehte mich um und erblickte Jewkes hinter mir in der Tür, die Schultern zusammengesunken, die Hände tief in den Taschen vergraben. »Und danke.«
Ich nickte. Plötzlich fiel mit großem Getöse etwas zu Boden, und wir zuckten beide zusammen. Das Äffchen saß auf dem Tisch und hielt etwas in der Hand. Die Windel um seinen Bauch leuchtete strahlend weiß im staubigen Licht. Das Äffchen bückte sich und streckte uns die Hände entgegen, die ein Pillendöschen hielten. Es klappte den Deckel auf und entnahm ihr eine Pastille von brauner Farbe, die es eindringlich untersuchte. Mr Jewkes und ich sahen einander an, und der Ausdruck in seinen Augen ließ mich plötzlich ein wenig freier atmen. Das Äffchen auf dem Tisch führte die Pastille an den Mund, tat, als bisse es ein Stück davon ab, und rieb sich mit der freien Hand den Bauch. Die Windel verrutschte. Mr Jewkes verzog grinsend den Mund. Stirnrunzelnd zog das Äffchen an der Windel, bevor es erneut nach dem Pillendöschen griff und auf und nieder hüpfend auf den Deckel deutete.
»Ich kann nur hoffen, dass Ihr Arzt kein solcher Scharlatan ist«, murmelte ich.
Mr Jewkes drückte meinen Arm und lächelte wehmütig. »Danke«, sagte er leise. »Danke für alles. Kümmere du dich um sie, stellvertretend für mich.«
Ich zögerte. Dann sah ich ihn fragend an. »Steht Ihre Kutsche draußen?«
»Ja.«
»Worauf warten wir dann noch? Mary wird sich schon fragen, wo wir bleiben.«
Mr Jewkes schickte seinen Burschen, den Arzt zu holen, winkte seine Kutsche herbei und befahl dem Kutscher, uns so schnell wie möglich nach Coal Wharf zu bringen.
»Sind Sie sicher, Sir?«, fragte der Fuhrmann skeptisch. »Es ist eine schäbige Gegend und sehr gefährlich, sogar am helllichten Tag.«
»Ich bin ganz sicher. Und jetzt beeil dich.«
Achselzuckend schwang der Kutscher die Peitsche, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Ich hielt mich auf der Kante des Sitzes, die Füße fest auf den Boden gestemmt und darauf gefasst, durchgeschüttelt zu werden. Doch in der Nähe der Börse wurde der Verkehr in den engen Straßen immer dichter, und die Kutsche kam nur noch stockend voran. Mr Jewkes schob das Fenster herunter und rief etwas zu dem Kutscher hinauf.
»Die Straße ist verstopft!«, rief dieser zurück. »Seit dem frühen Morgen ist hier der Teufel los.«
»Versuch’s den Fluss entlang.«
Das Fahrzeug neigte sich bedrohlich zur Seite, als der Kutscher wendete, und die Räder kamen einer Sänfte so nah, dass
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