Der Archipel in Flammen
reduziert: sie bezifferte sich kaum noch auf 200 Mann – und hatte den Kampf aufzunehmen gegen 600!
Unaufhörlich stürmten von den beiden Briggs herüber neue Korsaren: von allen Schiffen der Flottille eilten sie auf diesem Wege heran. Widerstand gegen diese Massen war auf die Dauer nicht denkbar. Bald floß das Blut auf dem Deck der "Syphanta" in Strömen. Aber die korfiotische Flagge sollte nicht eher niedergehen, als bis der letzte Mann von der "Syphanta" gefallen war.
Mitten im wildesten Handgemenge focht Xaris. Er kämpfte wie ein Löwe. Noch immer stand er auf dem Oberdeck. Mehr denn zwanzigmale schon hatte seine an dem muskulösen Handgelenk mit der Riemenschnur festgemachte Axt einem Piraten den Schädel gespalten und dem Kommandanten das Leben gerettet.
Dieser aber, inmitten solches Wirrwarrs, solches Mordens, behielt, wenngleich er unvermögend war gegen solche Ueberzahl, unentwegt die Herrschaft über sich. Woran dachte er? Sich zu ergeben? Nein! Ein französischer Offizier ergibt sich keinem Korsaren. Aber was beginnen? Das Beispiel des heldenmütigen Bisson nachahmen, der sich zehn Monate früher, um nicht dem Türken in die Hände zu fallen, in die Luft sprengte? würde er auch mit der Korvette die an seinen Flanken hängenden zwei Briggs vernichten? Aber das hieß Blessierte, alle den Korsaren entrissenen Gefangenen, Weiber, Kinder ... ja! auch Hadschina opfern! und wie sollte, wer die Explosion überlebte, wenn Sakratif ihm das Leben ließ, diesmal den Schrecken der Sklaverei entrinnen?!
"Achtung, Kommandant!" rief Xaris und warf sich vor ihn. Eine Sekunde später, und Henry d'Albaret wäre eine Leiche gewesen! Aber Xaris packte den Piraten, der ihn bedrohte, und schleuderte ihn ins Meer. Dreimal wollten andere Piraten dem Kommandanten zu Leibe, und dreimal hieb Xaris sie nieder.
Mittlerweile war das Deck der Korvette von Korsaren völlig überschwemmt. Kaum fielen noch vereinzelte Schüsse; es wurde mit blanken Waffe gekämpft; und das Gebrüll der Streiter übertönte das Klirren der Waffen und Knallen der Flinten.
Die Korsaren, bereits im Besitze des Vorderschiffs, waren allmählich bis zum Fuß des Großmastes vorgedrungen. Sie drängten die Mannschaft der Korvette zum Oberdeck hin. Es standen ihrer zehn gegen einen – mindestens! Bloß eine Leichenbarre trennte sie vom Hinterdeck. Die vordersten Reihen, von den Hinteren gedrängt, überstiegen diese Barre, obwohl sie dieselbe durch zahlreiche Leichen der Ihrigen noch höher steigen sahen. Dann rasten sie, über die Leiber hinweg, bis an die Knie im Blute badend, zum Sturm auf das Oberdeck. Dort hatten sich etwa 50 Mann geschart mit etwa einem halben Dutzend Offiziere unter Kapitän Todros. Entschlossen, bis zum Tode zu kämpfen, umringten sie ihren Kommandanten.
Auf diesem engen Raume wurde der Kampf fürchterlich. Die Flagge, die mit dem Sturz des Besanmastes von der Gaffel niedergegangen war, war am Achterdeck von neuem gehißt worden. Das war der letzte Posten, dessen Verteidigung Seemannsehre dem letzten Mann zur Pflicht machte.
Aber so entschlossen das kleine Korps auch war, was vermochte es gegen die 5–600 Seeräuber, die jetzt das Vorderschiff, das Deck, die Mastkörbe inne hatten, und einen Hagel von Granaten feuerten? Noch immer kam Sukkurs zu den Angreifern. Während die Reihen der Verteidiger des Oberdecks sich fortwährend lichteten, blieb die Zahl der Korsaren fortwährend die gleiche.
Das Oberdeck aber glich tatsächlich einer Feste. Zu wiederholten malen schlug sie den Sturm ab. Wieviel Blut um ihren Besitz geflossen, wer zu sagen hätte das vermocht? Endlich fiel sie, die Feste! Die Mannschaft der "Syphanta" mußte vor der Lawine zurückweichen bis zum Backbord! Dort scharten sie sich um die Flagge, um die sie einen Wall türmten aus ihren Leichen. Mitten unter ihnen, mit der Pistole in der einen, dem Dolche in der andern Faust, gab Henry die letzten Schüsse, die letzten Dolchstöße.
Nein! der Kommandant der Korvette ergab sich nicht! Erdrückt wurde er durch die Ueberzahl ... da suchte er den Tod! Aber umsonst! ... es schien, als seien die Korsaren, die gegen ihn drangen, insgeheim angewiesen worden, ihn lebendig zu fangen – ein Befehl, der zwanzig der heißblütigsten unter ihnen das Leben kostete: sie fielen unter den Axthieben des treuen Xaris.
Endlich fiel Henry d'Albaret mit den Ueberlebenden aus seinem Offizierkorps in die Gewalt der Korsaren. Xaris und die Matrosen mußten den Kampf einstellen. Die
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