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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schmale Wolkenfetzen, die von dem frischen Abendwind gejagt wurden. Wenn der Wind aussetzte, herrschte unbedingtes Schweigen um die Akropolis herum. Ein paar kleine, kaum sichtbare Segel furchten die Oberfläche des Golfs quer auf Koron zu oder in der Richtung nach Kalamata hinauf. Ohne das an ihrer Mastspitze hin und her tanzende Fanal wären sie wohl kaum erkenntlich gewesen. Mehr nach dem Fuße der Felsen zu, an verschiedenen Punkten des Gestades, leuchteten, verzwiefacht durch das zitternde Widerspiel der Fluten, noch sieben bis acht andere Feuer. Waren es Signallichter von Fischerbarken oder Laternenschein von menschlichen Behausungen? Wer hätte es sagen können?
    Nikolas Starkos durchschweifte mit seinem an Finsternis gewöhnten Blick diese ganze unermeßliche Fläche. Im Seemannsauge liegt eine durchdringende Sehkraft, die ihm in Weiten zu sehen gestattet, wohin kein anderes Auge zu sehen vermag. Momentan hatte es aber nicht den Anschein, als ob das, was außen um ihn her vorging, auf den jedenfalls an andere Szenen gewöhnten Kapitän der "Karysta" von Eindruck sei. Nein! er war in sich gekehrt, er sah nur im Geiste. Diese heimatliche Luft, die gleichsam Landeshauch ist, atmete er, fast ohne es zu wissen ... und ohne ein Glied zu rühren, in Sinnen versunken, mit übereinander geschlagenen Armen, blieb er stehen, während sein aus der Kapuze befreiter Kopf so starr und steif zwischen den Schultern saß, als sei er aus Stein gemeißelt.
    So verstrich nahezu eine Viertelstunde. Nikolas Starkos hatte den Blick unverwandt nach Westen zu gerichtet, wo in weiter Ferne das Meer den Horizont abschloß. Dann machte er ein paar Schritte in schräger Richtung den Felshang hinauf. Es war durchaus nicht Zufall, der seine Schritte lenkte. Ein heimlicher Gedanke war sein Führer; aber fast sah es aus, als ob seine Augen noch immer zu sehen vermieden, was sie auf den Höhen von Vitylo suchten.
    Uebrigens läßt sich wohl kaum ein trostloserer, öderer Anblick denken als dieses Küstenland vom Kap Matapan bis zur äußersten Sackgasse des Meerbusens. Hier wachsen weder Orangen, noch Zitronen, noch wilde oder Lorbeer-Rosenbäume, weder argolischer Jasmin noch Feigen- oder Erd- und Maulbeerbäume, hier ist keine Spur vorhanden von all der herrlichen Vegetation, die gewisse Teile Griechenlands zur reichen blühenden Landschaft gestaltet. Hier hebt sich keine immergrüne Eiche, keine Platane, kein Granatbaum von dunklem Cypressen- und Cederngrunde ab. Ueberall Felsen, die beim nächsten Erdstoß in die Fluten des Golfs abrutschen können. Ueberall auf diesem Boden der Landschaft Magnos, die eine recht karge Amme ihrer Bevölkerung ist, eine Art wilder Rauheit und Schärfe. Kaum ein paar verkrüppelte, [phantastisch verzerrte Pinien, denen man alles Harz entzogen, denen aller] Setzfehler, Zeile fehlt Saft fehlt, die tiefe Wunden an ihren Stämmen zeigen. Dann und wann ein paar magere Kakteen, die richtigen Dornendisteln mit Blättern, deren Aussehen sich mit Igelzwergen, die auf der einen Seite geschoren worden, vergleichen ließe. Nirgendswo endlich, weder an dem verkrüppelten Strauchwerk noch an dem mehr aus Kiesel- als aus Humuserde gebildeten Boden auch nur soviel Nahrung, daß Ziegen, die doch mit dem kümmerlichsten Futter zufrieden sind, ihr Fortkommen hätten finden können.
    Nach etwa wiederum zwanzig Schritten blieb Nikolas Starkos von neuem stehen. Dann drehte er um nach Nordosten, dorthin wo sich der ferne Karst des Taygetes auf dem um einige Scheine helleren Himmelsgrunde in schärferem Profile zeichnete. Ein paar Sterne, die zu dieser Zeit aufgingen, ruhten noch wie große Glühwürmer dicht über dem Horizont.
    Nikolas Starkos hatte sich nicht vom Flecke gerührt. Seine Augen ruhten auf einem kleinen, niedrigen Holzhause, das im Abstande von kaum zwanzig Schritt auf einem Felsvorsprunge stand. Eine bescheidene, einsam oberhalb des Dorfes gelegene Wohnstätte, zu der man nur auf steilen Pfaden hinaufklimmen konnte, mitten in einem kleinen, von einer Dornenhecke eingeschlossenen Gehäge kümmerlicher Bäumchen erbaut.
    Diese Wohnstätte machte ganz den Eindruck, als stünde sie schon lange leer. Die Hecke – hier dicht verwachsen – dort weit auseinanderklaffend, durchweg in schlechtem Stande, bot dem Hause keine genügende Schutzwehr mehr. Die wilden Hunde und Schakals, die sich hin und wieder in der Gegend zeigen, hatten dieses kleine Stückchen Manioten-Erde schon wiederholt verwüstet. Verkommenes Gras und

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