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Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Titel: Der Atem der Apokalypse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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auch das wahrscheinlich keine Rolle mehr spielte, so rasch, wie ihm die Zeit davonlief.
    Er setzte sich auf den Schreibtischstuhl und schlang den dicken Hotelbademantel enger um sich. Die Heizung lief auf Hochtouren, doch die Eiseskälte in seinen Knochen ließ sich nicht mehr erwärmen. Er beachtete sie nicht weiter und hörte noch einmal über Kopfhörer die Aufnahme ab. Es überraschte ihn nicht, dass Mr Dublin den Raum nach seinem Besuch nicht auf Wanzen abgesucht hatte. Mr Dublin hätte eine solche Vorgehensweise unter seiner Würde gefunden, als Verstoß gegen die Ehre ihrer Art. Darum würde Mr Dublin nie ein so guter Anführer sein wie Mr Bright. Mr Bright hatte immer schon gewusst, zu welch niedrigen Handlungen sie fähig waren. Er hatte die Ähnlichkeiten zwischen ihrer Art und
ihnen
erkannt – und darum waren sie alle gemeinsam weggegangen, die Außenseiter und die Aufständischen.
    Nachdem er sich die wichtigen Passagen angehört hatte, schaltete Mr Craven das Gerät wieder aus und überließ den Raum erneut der Stille. Er starrte aus dem Fenster in den dunklen Himmel. Wie spät war es? Vier Uhr, fünf? Schon wieder Nacht, schon wieder ein Tag weniger. Er drückte die Angst tief in die Magengrube zurück, doch auch dort war sie nicht weit genug weg.
    Soso, Mr Dublin suchte nach Cassius Jones, um ihn für das Experiment einzuspannen. Man sollte meinen, dass er das sehr spannend fände, aber jedes Mal, wenn er sich die Aufnahme anhörte, dachte er nur, dass es für ihn zu spät sein würde, selbst wenn sie Erfolg hätten. Wäre das Mr Dublin nicht sowieso egal? Selbst wenn sie nach Hause kämen, bräuchte man ein paar Sündenböcke, und man musste kein Genie sein, um sich denken zu können, dass er dazugehören würde. Und könnte er überhaupt noch nach Hause gelangen? Möglicherweise schafften es die Kranken – die
Sterbenden
gar nicht mehr.
    So viele Fragen mit so vielen trostlosen Antworten. Er wusste nur eins – das sich ihm in den letzten Tagen geradezu aufdrängte –, nämlich, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach an diesem –
buchstäblich
 – gottverlassenen Ort sterben würde, ein Schatten seiner selbst. Und er würde eher früher als später sterben. Die Verbitterung überwältigte ihn, er kaute fest auf seiner Unterlippe. Sein Mund schmeckte nach Metall. Sein Zahnfleisch blutete schon wieder.
    Cassius Jones. Die Blutlinie. Er dachte an den sabbernden Ersten. Wäre ihm das Schicksal lieber als der Tod? Die Antwort überraschte ihn: Ja, alles war besser als der Tod. Das würden die selbstgefälligen unangefochtenen Mr Bright und Mr Dublin nie verstehen, höchstens, wenn sie auch so weit waren.
    Cassius Jones dagegen war ein Joker – mehr noch, er war ein verlorener Joker, und Mr Dublin hatte recht, er würde sich das Netzwerk mit Sicherheit vorknöpfen. Cassius Jones hatte mit Mr Bright noch eine offene Rechnung zu begleichen und würde sich irgendwann zeigen, wenn er wieder gesund und vorbereitet war. Dann würde Mr Dublin ihn sicher erwarten, ebenso wie Mr Bright.
    Vielleicht war es höchste Zeit, dem Ex-Detective Inspector Cassius Jones Feuer unterm Arsch zu machen – und zu Ende zu bringen, was Mr Solomon begonnen hatte, doch gleichzeitig weniger zweideutig. Mr Craven hatte keine Zeit sich damit zu amüsieren, den Leuten dabei zuzusehen, wie sie seine Rätsel lösten; Cass Jones wahrscheinlich auch nicht.
    Er wandte sich vom Fenster ab und seufzte. Dieses Zimmer war Schrott; er musste seine Siebensachen packen und in ein anderes Hotel ziehen. Sollte er vorher noch duschen? Wahrscheinlich, denn das Blut war auf seiner Haut getrocknet, nachdem er wieder klein geworden war. Er sollte lieber nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mr Craven ging durch das Schlafzimmer und drehte sich an der Badezimmertür noch mal um und betrachtete das Kind auf dem Bett. Ohne Haut, die irgendwo in dem Durcheinander der Laken auf dem Fußboden war, sah der Junge noch kleiner aus. Die Nachttischlampe war kaputt, und auch der Spiegel an der Wand. Anscheinend konnte er nicht mehr ficken, wie er Sekunden vor dem Massaker entdeckt hatte, doch seine natürliche Begabung war ihm offenbar erhalten geblieben. Es hatte sich gut angefühlt,
er selbst
zu sein und zu tun, was nur
er
tun konnte. Er war immer noch gerissen genug und würde die Erinnerung auskosten. Doch leider hatte sie ihn auch ungeheuer viel gekostet. Nicht so viel wie den Jungen, dachte er, aber immer noch zu viel.
    Die Dusche prasselte

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