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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Abteilung Gewaltverbrechen, Zentrale
, las er auf der Visitenkarte, die sie ihm über den kleinen Tisch schob. Sie rauchte, eine Frau in den Dreißigern mit Ehering
     und kurzen schwarzen Haaren. »Sie haben Glück«, sagte sie. »Ich fliege heute abend zurück.« Entspannt, selbstsicher. Gewöhnt
     an die Männerwelt, in der sie arbeitete.
    Er erinnerte sich an sie. Er hatte an einem Kurs teilgenommen, den sie vor zwei oder drei Jahren gegeben hatte. Er erwähnte
     das aber lieber nicht, denn wer weiß, wie nüchtern er damals gewesen war.
    Sie bestellten Kaffee. Sie orderte dazu ein Törtchen mit Schokolade und Nüssen und einem italienischen Namen, den er nicht
     ganz mitbekam.
    »Haben Sie von den Assegai-Morden gehört?« fragte er.
    »Alle hier reden darüber, aber ich weiß nichts Genaues. Ich habe gehört, die Medien glauben, es sei eine Frau.«
    »Es kann keine Frau sein. Die Waffe, der Tathergang, alles …«
    »Es gibt noch einen anderen Grund.«
    |308| »Ach?«
    »Ich komme noch dazu. Erzählen Sie mir erst mal alles.« Er erzählte. Er mochte, wie genau sie zuhörte. Er begann bei Davids
     und endete in Uniondale. Er wußte, sie wollte die Details der Tatorte wissen. Er erzählte ihr alles, was er wußte. Nur zwei
     Dinge behielt er für sich: den Bakkie und die Tatsache, daß der Verdächtige schwarz sein könnte.
    »Mumm«, sagte sie und drehte ihr Feuerzeug wieder und wieder in der rechten Hand. Ihre Hände waren winzig. Sie erinnerten
     ihn an die Hände alter Menschen. An ihren Schläfen zeigten sich erste graue Härchen zwischen den schwarzen.
    »Die Tatsache, daß er sie in ihrem eigenen Heim konfrontiert, ist interessant. Zuerst einmal kann man daraus schließen, daß
     er intelligent ist. Überdurchschnittlich. Und entschlossen. Ordentlich, organisiert. Er hat Mut.«
    Griessel nickte. Das mit dem Mut fand er auch, aber die Intelligenz überraschte ihn.
    »Es wird nicht leicht, seinen Beruf zu ermitteln. Er ist kein Arbeiter, dafür ist er zu klug. Seine Tätigkeit erlaubt ihm,
     allein zu sein, er muß nicht erklären, wie er seine Zeit verbringt. Er kann nach Uniondale fahren, ohne daß jemand Fragen
     stellt. Vertreter? Selbständig? Er muß ziemlich fit sein. Relativ kräftig.«
    Sie zog eine Zigarette aus einem weißen Päckchen mit einem roten Quadrat drauf und steckte sie sich zwischen die Lippen. Griessel
     gefiel ihr Mund. Er fragte sich, welche Auswirkungen ihre Arbeit auf sie hatte. Die Grausamkeit eines Mordes zu benutzen,
     um ein Bild des Verdächtigen zu zeichnen, bis sie ihn vor sich sehen konnte, inklusive Tätigkeitsbeschreibung.
    »Er ist weiß. Drei weiße Opfer in weißen Stadtteilen. Es wäre schwierig, wenn er nicht weiß wäre.« Sie zündete die Zigarette
     an.
    Genau, dachte er.
    »In den Dreißigern, würde ich sagen.« Sie zog an der Zigarette und stieß einen langen weißen Rauchstrahl in die Luft. |309| Es war windstill, der Berg blockte den Südostwind ab. »Aber was Sie wirklich wissen wollen, ist, warum er ein Assegai benutzt.
     Und warum er Leute umbringt.«
    Er fragte sich, warum ihm ihr Mund so auffiel. Er konzentrierte seinen Blick auf ihre Stirn, damit er ihr überhaupt zuhören
     konnte.
    »Ich glaube, das Assegai soll Sie entweder überzeugen, daß er nicht weiß ist, Sie von seiner Spur ablenken. Oder er ist auf
     Medien-Aufmerksamkeit aus. Deutet irgend etwas darauf hin, daß er Kontakt zu den Medien aufgenommen hat?«
    Griessel schüttelte den Kopf.
    »Dann würde ich sagen, die erste Möglichkeit. Aber das ist nur eine Vermutung.«
    »Warum erschießt er sie nicht einfach? Das frage ich mich.«
    »Ich denke, das wird mit dem Warum zusammenhängen«, sagte sie und zog wieder an der Zigarette. Sie rauchte auf eine männliche
     Art, wahrscheinlich, weil sie immer mit Männern rauchte. »Ganz bestimmt nicht, weil er selbst mißhandelt oder mißbraucht wurde.
     Dann wären die Opfer und der Tathergang ganz anders. Ein weiterer Grund, daß es ein Mann sein muß. Wenn Männer Traumata erleiden,
     wenn sie mißhandelt oder mißbraucht werden, wollen sie anderen dasselbe antun. Frauen sind anders. Wenn sie in jungen Jahren
     ein Trauma erleiden, tun sie das nicht anderen an. Sie tun es sich selbst an. Also keine Frau. Wenn der Mann ein Trauma erlitten
     hätte, wären seine Opfer Kinder. Aber dieser hier wirft sich auf die, die den Schaden anrichten. Also ist er psychologisch
     stark. Es erscheint mir wahrscheinlicher, daß eines seiner Kinder zum Opfer geworden

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