Der Atem des Jägers
irritierende
Schnarren von sich. Verärgert erhob sich Orlando und ging in den Flur. Er drückte einen Knopf und hielt den Mund dicht vor
das Mikrofon. »Ja?«
»Orlando?«
Er kannte diese tiefe Stimme, konnte sie im Moment aber nicht einordnen.
»Ja?«
»Hier ist Thobela.«
»Wer?«
»Tiny. Tiny Mpayipheli.«
|338| Er lief durch ein grünes Tal, durch kniehohes Gras, hinter einem roten Ballon her. Er streckte eine Hand nach dem Band aus,
stolperte aber und fiel, und der Ballon schoß himmelwärts. Er erwachte in Christine van Rooyens Wohnzimmer und roch den Sex
an seinem Körper. O verdammt, was habe ich getan?
Er schwang die Beine vom Sofa und rieb sich die Augen. Er wußte, daß er nicht genug geschlafen hatte, er konnte die Müdigkeit
von Körper und Geist spüren, aber das war es nicht, was so schwer auf ihm lastete. Er wollte nicht daran denken. Er erhob
sich ein wenig unsicher. Er schob seine Z88-Pistole und das Handy unter das Sofa und nahm den kleinen Stapel Klamotten sowie
seine Schuhe mit ins Badezimmer. Er hätte sich gern die Zähne geputzt, aber das mußte warten. Er trat unter die Dusche und
drehte das Wasser auf.
Herrgott. Ein Säufer und Fremdgänger. Ein Hurenficker. Ein verfluchter Schwächling, der sich nicht kontrollieren konnte; er
hatte ihr seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Was, zum Teufel, war mit ihm nicht in Ordnung? Er war doch kein verfluchter
Teenager mehr.
Er schrubbte sich mit der Seife, wusch sich die Genitalien, zweimal, dreimal, viermal. Was sollte er jetzt mit ihr machen?
Wie weit war das Zeugenschutzprogramm? Er mußte dort anrufen. Wie war die Nacht für Bushy Bezuidenhout und seine Männer in
Camps Bay gelaufen? Während er im Arm einer Prostituierten lag. Und er hatte es so geplant, das war das Verdammte – er war
genau deswegen hergekommen. Er hatte gewollt, daß sie ihn anfaßte, denn er sehnte sich so verflucht danach, daß jemand ihn
verflucht noch mal anfaßte. Und er hatte gedacht, eine Hure würde es einfacher finden, ihn zu berühren. Denn er konnte einfach
nicht gottverfluchte sechs Monate auf seine Frau warten, nur damit sie ihn dann
vielleicht
wieder anrührte.
Er stieg aus der Dusche und trocknete sich aggressiv ab. Herrgott, wenn er sich nur die Zähne putzen könnte, sein Mund fühlte
sich an, als hätte ein Mungo hineingeschissen. Er |339| schnupperte an seiner Hose. Sie roch nach Sex, so konnte er nicht zur Arbeit gehen. Er sollte am besten Tim Ngubane anrufen
und herausfinden, ob die Zeugenschutz-Leute sie gleich holen kommen konnten.
Warum hatte sie kommen und sich zu ihm legen müssen? Um dann ihre Geschichte zu erzählen, als wäre das alles
seine
gottverdammte Schuld?
Er stand immer noch da und hielt seine Hose unter die Nase, als sie die Badezimmertür öffnete und verängstigt sagte: »Ich
glaube, da ist jemand an der Tür.«
Arendse hatte Tiny Mpayipheli zuletzt vor fünf Jahren gesehen. Als sie jetzt zusammen an dem Tisch saßen, fiel ihm auf, daß
der Xhosa sich verändert hatte. Er war immer noch ein sehr großer Mann mit einer Stimme wie ein Cello. Hatte immer noch tiefschwarze
Augen, die einen zittern ließen, wenn man zum ersten Mal hineinschaute. Aber die Falten in dem Gesicht waren ein bißchen tiefer,
das kurzgeschnittene Haar an den Schläfen leicht ergraut.
»Erzähl mir von Carlos Sangrenegra«, sagte sein Besucher und trank einen Schluck Kaffee.
Arendse schaute auf die Titelseite der Zeitung vor sich, dann hoch zu dem großen Mann. Er sah die Ernsthaftigkeit. Er wollte
etwas sagen, wollte Fragen stellen, als er begriff. Er schaute wieder hinunter auf die Zeitung, dann zu Tiny, und alles war
klar. Alles.
»Guter Gott, Tiny.«
Der Xhosa sagte nichts, schaute ihn nur mit seinen Adleraugen an.
»Was ist passiert?« fragte Arendse.
Thobela schaute ihn lange an, dann schüttelte er den Kopf, von links nach rechts, nur einmal.
»Ich bin in Rente«, sagte Arendse.
»Du kennst Leute.«
»Es ist jetzt alles anders, Tiny. Nicht mehr wie früher. Wir Farbigen sind nur noch Randfiguren. Selbst im Drogenhandel.«
|340| Keine Reaktion.
»Ich schulde dir was. Das stimmt.« Arendse erhob sich und ging hinüber zur Kaffeemaschine. »Laß mich nur meiner Frau ihren
Kaffee bringen, sonst habe ich nie wieder meine Ruhe. Danach mache ich ein paar Anrufe.«
Griessel versuchte seine Hose anzuziehen, hatte es aber zu eilig. Er verlor das Gleichgewicht, als er auf einem Bein
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