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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Mißbilligung in ihrer Stimme zu hören.
    Sie lehnte ihren Rücken an seine Füße, legte ihre Arme unter ihren Brüsten über Kreuz.
    »Wissen Sie, warum meine Eltern mich auf die Universität schickten? Um einen Mann zu finden. Einen mit Bildung. Und einem
     guten Job. So daß ich ein gutes Leben hätte. Ein gutes Leben. Was hilft einem ein gutes Leben? Was hilft es einem, wenn man
     stirbt und sich selbst sagen kann: Ich hatte ein gutes Leben? Langweilig, aber gut.
    An der Uni war ich mit einem Medizinstudent im dritten Jahr befreundet. Seine Eltern lebten in Heuwelsig und hatten Geld.
     Ich habe gesehen, wie sie wohnten. Ich habe gesehen, wenn man Geld hat, muß man nicht pflichtbewußt und ordentlich und gut
     sein. Geld zu haben bedeutet mehr, als sich Sachen kaufen zu können. Man kann anders sein, und keiner sagt etwas. Da wußte
     ich, was ich wollte. Aber wie sollte ich es bekommen? Man kann einen reichen Mann heiraten, aber dann ist es nicht dein Geld.
     Also arbeitete ich am Wochenende für einen Cateringdienst. Eines Nachts stand ich auf einem Golfplatz und rauchte, und dieser
     Mann kam zu mir, er hatte einen Autoladen in der Zastron Street, und er fragte mich: ›Wieviel verdienst du?‹ Als ich es ihm
     sagte, fragte er: |336| ›Möchtest du nicht lieber tausend Rand die Nacht verdienen?‹ Und ich fragte: ›Wie denn das?‹, und er sagte: ›Mit deinem Körper,
     meine Liebe.‹ Er gab mir seine Karte und sagte: ›Denk darüber nach.‹ Ich rief ihn gleich am Montag an. Und tat es. In einer
     Wohnung, da waren sieben Jungs, die eine Wohnung in Hilton hatten, und manchmal riefen sie mich mittags oder am Abend in meinem
     Wohnheim an, und ich ging hin.
    Aber dann, knapp vor meiner Abschlußprüfung, wurde ich schwanger«, sagte sie. »Ich nahm die Pille, aber die half nicht. Als
     ich ihnen davon erzählte, sagten sie, sie würden die Abtreibung bezahlen, aber ich sagte nein. Also gaben sie mir Geld, und
     ich zog nach Kapstadt.«

38
    Orlando Arendse begann jeden Morgen gleich. In seinem großen, schönen Haus in West Beach, Milnerton, stand er ohne Wecker
     um sechs auf. Er zog Hausschuhe und einen burgunderroten Morgenmantel an, nahm seine Lesebrille vom Nachttisch, ließ seine
     Frau schlafen und ging in die Küche. Er legte die Brille auf den Küchentisch und mahlte eine Mischung aus italienischen und
     Mokka-Kaffeebohnen – genug für vier große Becher. Er füllte Wasser in die Kaffeemaschine und schüttete sorgfältig das Kaffeepulver
     hinein. Dann drückte er den Knopf.
    Er ging zur Haustür, öffnete sie und trat hinaus. Er schaute hoch, um zu sehen, wie das Wetter war, dann überquerte er die
     asphaltierte Auffahrt und ging zu dem großen, automatischen Sicherheitstor. Er hielt sich stramm aufrecht, trotz seiner sechsundsechzig
     Jahre, die er überwiegend in den Cape Flats verbracht hatte. Rechts von dem Tor befand sich der Briefkasten. Er öffnete ihn
     und zog
Die Burger
heraus.
    Ohne die Zeitung aufzufalten, überflog er die Schlagzeilen. Er mußte dazu den Arm ausstrecken, denn er trug seine Brille nicht.
    |337| Er ging zurück zum Haus, und bevor er durch die Tür trat, schaute er nach links und rechts. Es war ein Instinkt, nicht mehr
     länger von Nutzen.
    Er breitete die Zeitung ordentlich auf dem Tisch aus Pinienholz in der Küche aus. Er setzte seine Lesebrille auf. Seine rechte
     Hand fuhr in die Tasche seines Morgenmantels. Sie war leer, und er schnalzte frustriert mit der Zunge. Er rauchte nicht mehr.
     Seine Frau und sein Arzt hatten sich gegen ihn verschworen.
    Er las nur die Titelseite. Dann beendete die Kaffeemaschine mit einem seufzenden Gurgeln ihre Arbeit. Orlando Arendse seufzte
     wie jeden Morgen mit ihr. Er stand auf und holte zwei Becher aus dem Regal über der Kaffeemaschine, stellte sie auf den Tresen.
     Erst füllte er einen Becher und genoß den Duft. Keine Milch, kein Zucker. Einfach so. Er goß den Rest des Kaffees in eine
     Thermosflasche, so daß er sich hielt. Mit dem Becher in der Hand setzte er sich erneut vor die Zeitung. Er blätterte um und
     betrachtete das kleine Foto der Seite-drei-Redakteurin, einer hübschen Frau. Dann wanderte sein Blick auf Seite zwei, und
     er begann ernsthaft zu lesen.
    Gegen sieben goß er Kaffee aus der Thermosflasche in einen weiteren Becher und brachte ihn seiner Frau. Aber um zehn vor sieben,
     als er gerade einen Kricket-Bericht auf der Sportseite las, gab das elektronische Kästchen im Eingangsbereich dieses

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