Der Atem des Jägers
wußte, man kann keinen Wurfspeer benutzen, wenn man das Weiße im Auge des
Feindes sieht. Dann brauchte man eine Waffe, mit der man sich den Weg freimachen kann.
|387| Es heißt, es war ein wolkenloser Tag. Es heißt, die Engländer konnten nicht glauben, wie die Xhosa dort oben auftauchten.
Todesstille. Aber jeder wußte genau, wo sein Platz in der Reihe war.
Unten errichteten die Rotmäntel ihre Barrieren. Oben warteten die roten Männer auf das Signal. Und als die Weißen sich zum
Mittagsmahl an die gedeckten Tische setzten, kamen sie heruntergestürzt.
Seit ich diese Geschichte zum ersten Mal von meinem Onkel hörte, wollte ich einer von ihnen sein, Griessel. Es heißt, als
die Krieger angriffen, stießen sie einen entsetzlichen Schrei aus. Man sagt, dieser Schrei stecke in jedem Soldaten. Wenn
man im Krieg ist, wenn das Blut im Kampf fließt, steigt er herauf. Er explodiert aus dem Hals und gibt dir die Stärke eines
Elefanten und die Ausdauer einer Antilope. Man sagt, jeder Mann habe Angst bis zu diesem Augenblick, aber dann gebe es keine
Angst mehr. Dann sei man nur noch ein Kämpfer, und nichts könne einen aufhalten.
Mein ganzes Leben lang wollte ich einer von ihnen sein. Ich wollte an der Front kämpfen. Ich wollte meine Speere werfen und
das kurze Assegai bis zuletzt bewahren. Ich wollte das Schießpulver und das Blut riechen. Es heißt, der Fluß in der Stadt
sei an jenem Tag rot vom Blut gewesen. Ich wollte einem Engländer in die Augen sehen, und er sollte sein Bajonett heben, und
wir sollten wie Soldaten gegeneinander antreten, jeder für sein Gut. Ich wollte einen ehrenvollen Krieg kämpfen. Wenn seine
Klinge schneller wäre als meine, wenn seine Stärke größer wäre, dann wäre es so. Dann würde ich sterben wie ein Mann. Wie
ein Krieger.«
Thobela schwieg lange. Eine Weile nach der Abbiegung zum Bushmans River Mouth sagte er: »Es gibt keine Ehre mehr. Es ist egal,
welchen Kampf man wählt.«
Wieder legte sich Stille über den Wagen, aber Thobela hatte das Gefühl, als hätte sich die Art der Stille verändert.
»Was ist geschehen, an jenem Tag?« Griessels Stimme von hinten.
|388| Thobela lächelte in der Dunkelheit. »Es war eine unfaßbare Schlacht. Die Engländer hatten Kanonen und Pistolen. Schrapnellgranaten.
Tausend Xhosa fielen. Einige von ihnen fanden sie Tage später meilenweit weg, mit Grasbüscheln in ihren klaffenden Wunden,
um die Blutung zu stillen. Aber es war knapp. Es gab Zeiten, zu denen es besser aussah für die Xhosa, die Männer Nxeles waren
zu schnell und zu viele, die Engländer konnten nicht schnell genug nachladen. Die Zeit stand still. Die Schlacht stand auf
Messers Schneide. Dann erlebten die Rotröcke ein Wunder. Sein Name war Boesak, ist das zu glauben? Er war ein Khoi-Jäger und
Soldat. Er war mit hundertdreißig Mann auf Patrouille, und sie kamen zurück, an jenem Tag. Gerade rechtzeitig für die Engländer,
als der britische Captain schon zum Rückzug blasen wollte. Boesak und hundertdreißig der besten Schützen des Landes. Sie zielten
auf die größten Krieger, die Xhosa, die vorne kämpften, die zwischen den Männern hin und her rannten und sie anfeuerten. Das
Herz des Angriffs. Einer nach dem anderen wurde abgeschossen, wie Bullen aus einer Herde. Und dann war es alles vorüber.«
Sie versuchte die Pillen durch ein Mehlsieb zu pressen, doch sie waren zu hart.
Sie nahm ein Brett und einen Teelöffel und zerdrückte die Pillen. Ein paar Bruchstücke landeten auf dem Boden, und sie bekam
Panik. Sie nahm noch mehr Pillen, drückte. Der Teelöffel schlug knallend auf das Holzbrett.
Würde Carlos es hören?
Sie schüttete das gelbliche Pulver von dem Brett in eine kleine Schale, die sie zur Seite stellte. War das Pulver fein genug?
Sie deckte den Tisch. Sie konnte weder Kerzen noch Kerzenleuchter finden, also legte sie bloß Tischsets und Besteck auf den
Tisch. Sie rief Carlos und servierte: Rinderfilet gefüllt mit geräucherten Austern, dazu gebackene Kartoffel und
Petit pois
.
|389| Carlos konnte gar nicht aufhören, sie zu loben, obwohl sie wußte, daß das Essen nichts Besonderes war. Er schleimte sich immer
noch bei ihr ein. »Siehst du, Conchita, keine Männer. Nur du und ich. Kein Problem.«
Sie sagte, er müsse noch Platz lassen für den Nachtisch, Birnen in Wein und Zimt. Und dann würde sie ihm einen richtigen Irish
Coffee machen, und es wäre ihr sehr wichtig, daß er ihn tränke, denn
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