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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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     für den Abend. Ich war vierzehn. Ich lieh mir etwas Schminke von Lenie Heysteck und kaufte mir von meinem Gesparten meine
     erste Jeans. Ich hatte eine himmelblaue Bluse an, mein Haar war lang, und ich fand, daß ich hübsch aussah. Ich saß an jenem
     Abend vor dem Spiegel in meinem Zimmer und legte Mascara auf, das zu meiner Bluse paßte, und meine Lippen waren rot. Vielleicht
     habe ich zu viel Make-up benutzt, denn ich hatte ja noch keine Ahnung, aber ich fühlte mich so hübsch … Das können Männer
     nicht verstehen, sich hübsch zu fühlen.
    Was wäre geschehen, wenn ich meine schwarze Handtasche genommen hätte, ins Wohnzimmer gegangen wäre und er hätte gesagt: ›Wie
     hübsch du aussiehst, Christine‹? Was wäre geschehen, wenn er aufgestanden wäre, meine Hand genommen und gesagt hätte: ›Darf
     ich um diesen Tanz bitten, Prinzessin?‹«
    Sie preßte den Stiel des Zuckerlöffels an ihren Mund. Sie spürte das altbekannte Gefühl.
    »Aber das ist nicht geschehen«, sagte der Priester.
    »Nein«, sagte sie. »Das ist nicht geschehen.«
    |50| Thobela hatte sich die Adresse von Khozas Bruder in Khayelitsha gemerkt, fuhr aber nicht direkt dorthin. Spontan verließ er
     seine Fahrtroute zwei Ausfahrten westlich des Flughafens und fuhr nach Guguletu. Er suchte das kleine Haus, in dem er mit
     Miriam und Pakamile gelebt hatte. Er parkte gegenüber auf der Straße und schaltete den Motor aus.
    Der kleine Garten, den der Junge und er mit viel Liebe und Mühe dem sandigen Boden der Cape Flats abgerungen hatte, war verdorrt.
     Im Fenster des vorderen Zimmers hingen andere Vorhänge.
    Miriam und er hatten in diesem Raum geschlafen.
    Die Straße hinunter kreischten Kinder. Er schaute hinüber und sah Jungen Fußball spielen, die Hemden hingen ihnen aus den
     Hosen, die Socken waren bis zu den Knöcheln heruntergerutscht. Pakamile hatte jeden Nachmittag ab halb sechs an jener Straßenecke
     auf ihn gewartet. Thobela fuhr damals eine Honda Benly, eines dieser unzerstörbaren kleinen Motorräder, auf der er aussah
     wie eine riesige Zitterspinne, und der Junge begann zu strahlen, wenn er um die Ecke bog, und dann fing er an zu rennen, er
     lief die letzten hundert Meter bis zu ihrem Tor mit dem Motorrad um die Wette.
    Pakamile freute sich immer so, ihn zu sehen, war so begierig darauf zu reden und begeistert davon, im Vorgarten zu arbeiten,
     wo die Sonnenblumen blühten, oder im Gemüsegarten hinter dem Haus, der voll war mit dicken Bohnen, weißen Kürbissen und roten
     Tomaten.
    Er streckte langsam die Hand aus, um den Motor wieder anzulassen, mochte die Erinnerungen aber nicht gehen lassen.
    Warum war ihm alles genommen worden?
    Dann fuhr Thobela davon, zurück auf die N2, vorbei am Flughafen. Er nahm die Ausfahrt, bog rechts ab und erreichte Khayelitsha
     – Verkehr und Menschen, kleine Wohnblöcke, Häuser, Sand und Gerüche und Lärm, große Anzeigen für Castle, Coke und Toyota,
     handgemalte Werbeschilder für kleine Läden, Friseure und Autolackierer, Gemüsestände am |51| Straßenrand, Hunde und Kühe. Eine Stadt abseits der Stadt, ausgebreitet über die Dünen.
    Er fuhr langsam, hatte vorher auf der Karte nachgesehen, denn hier konnte man sich leicht verfahren: wenig Straßenschilder,
     die Straßen manchmal breit, manchmal unfaßbar schmal. Er hielt vor einem Haus, einem Ziegelgebäude in der Mitte eines Grundstücks.
     Baumaterial lag herum, ein Anbau war bereits auf Fensterhöhe vorangeschritten, ein alter Mazda 323 stand auf Ziegeln, halb
     bedeckt von einer Plane.
    Er stieg aus, ging zur Tür und klopfte. Drinnen lief Musik, amerikanischer Rap. Er klopfte noch einmal lauter, dann ging die
     Tür auf. Ein junges Mädchen, siebzehn oder achtzehn, in T-Shirt und Jeans. »Ja?«.
    »Ist hier das Haus von Lukas Khoza?«
    »Er ist nicht da.«
    »Ich habe eine Nachricht für John.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Was für eine Nachricht?«
    »Arbeit.«
    »John ist nicht da.«
    »Wie schade«, sagte Thobela. »Der Job hätte ihm gefallen.« Er wollte schon gehen, hielt dann inne. »Kannst du ihm Bescheid
     sagen?«
    »Wenn ich ihn sehe. Wer sind Sie?«
    »Sag ihm, der Mann, der die guten Jobs hat, war hier. Dann weiß er schon Bescheid.« Er wandte sich wieder ab, als hätte er
     bereits das Interesse verloren.
    »John war ewig nicht mehr hier. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
    Er ging in Richtung des Bakkies und sagte achselzuckend: »Dann suche ich mir jemand anders für den

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