Der Atem des Jägers
Joubert ihn dort hinfuhr.
Der Senior Superintendent stieß die Luft aus.
»Weißt du, woran ich denken muß, Benny? Die ganze Zeit?« Seine Stimme jetzt sanfter. »An den Mann, der mein Freund war. Den
kleinen Sergeant, der aus Parow hierherkam, noch grün hinter den Ohren und voller Elan. Der einem Haufen arroganter Detectives
der Mordkommission zeigte, wie Polizeiarbeit funktioniert. Der kleine Kerl aus Parow – wo ist der, wohin ist er verschwunden?
Er hat gelacht und hatte eine kluge Antwort auf alles. Er war eine Legende. Scheiße, Benny, du warst gut; du hattest alles.
Du hattest Instinkt und Respekt. Du hattest eine Zukunft. Aber du hast sie kaputtgemacht. Du hast sie versoffen und in den
Wind gepißt.«
Schweigen.
»Dreiundvierzig«, sagte Joubert und schien wieder wütender zu werden. Er schlängelte sich zwischen den Wagen hindurch.
Eine weitere rote Ampel.
»Und du bist immer noch ein verfluchtes Kind.«
Dann herrschte Schweigen im Wagen. Griessel fragte sich nicht mehr länger, wohin sie fuhren, er dachte an die Flasche, die
so nah an seinem Mund gewesen war. Keiner würde das |45| verstehen; man mußte es selbst erlebt haben. Man mußte das Verlangen kennen. Früher hatte Joubert auch getrunken, er hatte
viel gefeiert, aber
so etwas
hatte er nie gefühlt. Er kannte das nicht, deswegen konnte er es nicht verstehen. Als Griessel wieder aufschaute, waren sie
in Bellville, in der Carl Cronjé Street.
Joubert bog ab. Sie fuhren jetzt langsamer. Da war ein Park; Bäume und Gras und ein paar Bänke. Er hielt. »Komm mit, Benny«,
sagte er und stieg aus.
Was wollten sie hier? Er öffnete langsam die Tür.
Joubert ging vor. Wo wollten sie hin? Wollte er ihn hinter den Bäumen zusammenschlagen? Was würde das helfen? Der Verkehr
von der N1 weiter oben dröhnte und zischte, niemand würde etwas mitbekommen. Er folgte zögerlich.
Joubert blieb zwischen den Bäumen stehen und zeigte mit dem Finger auf etwas. Als Griessel ihn erreichte, sah er den Mann
auf dem Boden.
»Weißt du, wer das ist, Benny?«
Unter einem Haufen Zeitungen und Kartons und einer unglaublich dreckigen Decke rührte sich jemand, als er die Stimme hörte.
Das schmutzige Gesicht drehte sich nach oben, viel Bart und Haare und zwei kleine blaue Augen, eingesunken in ihre Höhlen.
»Weißt du, wer das ist?«
»Das ist Swart Piet«, sagte Griessel.
»Hey«, sagte Swart Piet.
»Nein«, sagte Joubert. »Das ist Benny Griessel.«
»Wollt ihr mich schlagen?« fragte der Mann. Ein Einkaufswagen stand hinter seinem Nest. Darin lag ein kaputter Staubsauger.
»Nein«, sagte Joubert.
Swart Piet schaute zu dem großen Mann vor ihm hoch. »Kenne ich Sie?«
»Das bist du, Benny. In sechs Monaten. In einem Jahr.«
Der Mann hob eine gewölbte Hand. »Habt ihr zehn Rand?«
»Wofür?«
|46| »Brot.«
»Die flüssige Version«, sagte Joubert.
»Sie können Gedanken lesen«, sagte der Mann und stieß ein zahnloses Keckern aus.
»Wo sind deine Frau und deine Kinder, Swart Piet?«
»Lange her. Vielleicht einen Rand? Oder fünf?«
»Sag’s ihm, Piet. Sag ihm, was du gearbeitet hast.«
»Gehirnchirurg. Ist doch egal.«
»Willst du das wirklich?« Joubert schaute Griessel an. »Willst du so sein?«
Griessel hatte nichts zu sagen. Er sah nur Swart Piets Hand, eine dreckige Klaue.
Joubert wandte sich ab und ging zum Wagen.
»Hey«, fragte der Mann. »Was hat denn der?«
Griessel schaute Joubert nach. Er wollte ihn nicht zusammenschlagen. Der ganze Weg hierher für eine kindische Moral-Lektion?
Einen Augenblick lang liebte er den Riesenkerl. Dann kam ihm ein Gedanke, er wandte sich um und fragte: »Waren Sie Polizist?«
»Sehe ich aus wie ein Idiot?«
»Was waren Sie?«
»Gesundheitsaufseher in Milnerton.«
»Ein Gesundheitsaufseher?«
»Hilf einem hungrigen Mitmenschen, Mann. Zwei Rand.«
»Ein Gesundheitsaufseher«, sagte Griessel. Er spürte die Wut in sich aufsteigen.
»Oh, Teufel«, sagte Swart Piet. »Bist du der Kerl aus
Saddles Steakhouse
?«
Griessel wirbelte herum und lief hinter Joubert her. »Er war Gesundheitsaufseher!« rief er.
»Okay, wie wär’s mit einem Rand, mein Freund. Was ist schon ein Rand unter Freunden?«
Der Senior Superintendent saß bereits am Steuer.
Griessel rannte jetzt. »Das kannst du nicht machen«, rief er und trat ans Fenster. »Du willst mich mit einem verfluchten Kakerlakensucher
vergleichen?«
|47| »Nein. Mit einem Versager, der nicht aufhören kann zu
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