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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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schwer zu erklären war, so schwer zu verstehen. Jemand mußte Position
     beziehen. Jemand mußte sagen: »So weit und nicht weiter.«
    Das hatte er versucht dem Jungen zu erklären. Das hatte er seinem Sohn geschuldet.
     
    Er klopfte den ganzen Nachmittag lang an Türen, und um vier Uhr wußte Detective Inspector Benny Griessel, daß das Opfer die
     sechsundvierzigjährige Josephine Mary McAllister war, 1994 geschieden, eine zuverlässige, aber ansonsten nicht weiter bemerkenswerte
     Sekretärin bei Benson Exports in der Waterkant Street. Sie war Mitglied der New Gospel Church in Sea Point, eine einsame Frau,
     deren Ex-Mann in Pietermaritzburg lebte und deren Kinder beide in London arbeiteten. Er wußte, daß sie Mitglied der öffentlichen
     Bibliothek war, sie mochte am liebsten Bücher von Barbara Cartland und Wilbur Smith, besaß einen Toyota Corolla von 1999,
     hatte 18762,80 |57| Rand auf einem Girokonto bei der Nedbank und einen Saldo von 6456,70 Rand auf ihrer Kreditkarte. Am Tag ihres Todes hatte
     sie ein Flugzeugticket nach Heathrow gekauft, offenbar wollte sie ihre Kinder besuchen.
    Leider gab es, wie bei den beiden vorhergehenden Morden, keine Information, die ihnen wirklich weiterhalf.
    Als er seine Koffer über die Schwelle ihrer Wohnung schleppte, war ihm das Risiko klar, das er einging, aber er sagte sich,
     daß er keine Wahl hatte. Wo, zum Teufel, sollte er sonst hin? In ein Hotel, wo Alkohol nur ein paar Ziffern auf dem Telefon
     weit weg war? Die Spurensicherung war schon hiergewesen, und es gab keinen anderen Schlüssel als den in seiner Tasche.
    In Josephine Mary McAllisters Wohnung befand sich keine Dusche, nur eine Badewanne. Er ließ sie halb voll laufen und lag dann
     in dem dampfenden Wasser und beobachtete, wie sein Herz rhythmisch feine Schwingungen über die Oberfläche schießen ließ.
    Die grundsätzliche Verbindung zwischen McAllister, Jansen und Rosen war offensichtlich. Sie waren alle um die vierzig, lebten
     allein in Green Point, Mouille Point, Sea Point. Keine Anzeichen gewaltsamen Eindringens. Alle drei erwürgt mit einem Elektrokabel
     aus der Küche des Opfers. Wie wählte der Täter seine Opfer? Auf der Straße? Saß er einfach in einem Auto und schaute sich
     um, bis er ein mögliches Opfer fand? Und klopfte dann an deren Tür?
    Unmöglich. McAllisters und Rosens Wohnhäuser hatten Sicherheitsschlösser und Gegensprechanlagen. Frauen öffneten fremden Männern
     nicht – nicht mehr. Jansens Haus verfügte über ein Stahltor am Eingang.
    Nein, irgendwie hatte er sich mit ihnen angefreundet. Dann hatte er sich für Freitagabend verabredet und sie abgeholt oder
     nach Hause gebracht. Und ein Elektrokabel benutzt, das er in der Küche fand. Hatte er es ins Wohnzimmer oder Schlafzimmer
     mitgenommen? Wie schaffte er es, sie zu überraschen? Denn es gab kaum Anzeichen von Gegenwehr, kein Gewebe unter den Fingernägeln,
     keine blauen Flecken.
    |58| Er mußte stark sein. Schnell, methodisch.
    Der Psychologe der Spurensicherung in Pretoria hatte gesagt, das Arschloch würde Vorstrafen haben, wahrscheinlich geringfügige
     Vergehen: Körperverletzung, Diebstahl, Einbruch, vielleicht Brandstiftung. Höchstwahrscheinlich auch sexuelle Übergriffe,
     Vergewaltigung, Voyeurismus. »Sie fangen nicht mit Mord an, sie klettern die Leiter hinauf. Wenn Sie ihn erwischen, werden
     Sie feststellen, daß er pornographische Zeitschriften besitzt, sadomasochistische Sachen. Und eins kann ich Ihnen sagen: Er
     wird nicht aufhören. Er wird immer geschickter und immer selbstsicherer.«
    Griessel nahm die Seife und wusch sich, er fragte sich, ob sie hier auch gesessen hatte, bevor ihr Mörder sie abholte. Hatte
     sie sich auf ihr Rendezvous vorbereitet, unwissend, daß sie als Lamm zur Opferung ging?
    Er würde ihn schnappen.
    Freitagabend. Warum Freitag?
    Er wusch die Seife ab.
    War Freitag der einzige Abend, an dem er frei hatte? Welche Berufe hatten Freitagabend frei? Oder umgekehrt: Welche Berufe
     arbeiteten Freitagabend? Bloß blöde Polizisten, das war alles – der Rest der Welt feierte. Und mordete.
    Er stieg aus der Badewanne, ging tropfnaß hinüber zu seinem Koffer und nahm ein Handtuch heraus. Anna hatte eines ordentlich
     auf seine Sachen gelegt. Sie hatte sorgfältig für ihn gepackt, als bedeutete es ihr etwas.
    Aber jetzt wühlte er in dem Koffer herum. Er mußte die Sachen aufhängen, sonst bekämen sie Falten.
    Er mußte irgendwo bleiben. Sechs Monate lang.
    Er lauschte der

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