Der Atem des Jägers
Nachrichten«, sagte der Commissioner, klang aber nicht überzeugt.
»Oh, und wir haben eine Mitteilung für einen Benny.«
»Das bin ich.«
»Er sagt, der Mann sei schwer gegen eine Registrierkasse gestürzt.«
Alle vier starrten den Arzt interessiert an. »Eine Registrierkasse?« fragte Griessel.
»Ja.«
»Tun Sie mir einen Gefallen, Doc. Sagen Sie ihm, es war die Schaufensterpuppe.«
»Die Schaufensterpuppe.«
»Ja. Sagen Sie ihm, der Mann ist gegen die Schaufensterpuppe gestürzt, und die Schaufensterpuppe ist auf die Registrierkasse
gefallen.«
»Das sage ich ihm.«
|188| »Danke, Doc«, sagte Griessel und schaute den Commissioner an, der nickte und sich abwandte.
Er kaufte sich einen Zinger-Burger und eine Dose Fanta Orange bei
KFC
und nahm sie mit nach Hause. Er saß auf dem Boden und aß teilnahmslos. Es war die Müdigkeit, die Nachwehen des Adrenalins.
Außerdem wartete etwas in seinem Hinterkopf, worüber er nicht nachdenken wollte. Also konzentrierte er sich auf das Essen.
Der Zinger befriedigte seinen Hunger nicht. Er hätte Pommes bestellen sollen, aber er mochte die
KFC -
Pommes nicht. Die Kinder aßen sie gern. Die Kinder aßen sogar die dünnen Papp-Fritten bei
McDonald’s
gern, aber er konnte das nicht.
Steers -
Pommes, ja. Dicke fette
Steers -
Pommes mit Barbecue-Gewürz.
Steers -
Burger schmeckten auch besser als alle anderen. Das war anständiges Essen. Aber er wußte nicht, wo der nächste
Steers
war, und er war nicht einmal sicher, ob sie um diese Zeit noch aufhatten. Der Zinger war alle, und es klebte Sauce an seinen
Fingern. Er wollte die Plastiktüte und die leere Pappschachtel in den Müll werfen, aber da fiel ihm ein, daß er keinen Mülleimer
hatte. Er seufzte. Er mußte duschen – er hatte immer noch Reynekes und Cliffys Blut an sich kleben.
Du hast sechs Monate, Benny – die gebe ich dir. Sechs Monate, dich zwischen uns und dem Alkohol zu entscheiden.
Sollte man für sechs Monate Möbel kaufen? Er konnte doch nicht sechs gottverdammte Monate auf dem Fußboden essen. Oder nach
Hause in ein so ödes Loch kommen. Er hatte doch sicher auch ein Recht auf ein oder zwei Sessel. Einen kleinen Fernseher. Aber
zuerst mußte er seine Sachen ausziehen und duschen, dann konnte er sich aufs Bett setzen und eine Liste für Morgen schreiben.
Samstag. Dieses Wochenende hatte er frei.
Es war erschreckend. Zwei ganze Tage. Leer. Vielleicht sollte er ins Büro gehen und den Papierkram einmal in Ordnung bringen.
Er wusch sich die Hände in der Küche, stopfte die Schachtel und die Dose und die benutzte Papierserviette in das rotweiße |189| Plastikpäckchen und stellte es in eine Ecke der Küche. Er ging die Treppe hoch und knöpfte sein Hemd auf. Gott sei Dank mußten
sie nicht mehr Sakkos und Krawatten tragen. Als er bei der Mordkommission angefangen hatte, waren es noch Anzüge.
Wo war Anna heute abend?
Der Duschvorhang aus Plastik war in einer Ecke gerissen, und das Wasser tropfte auf den Boden. Er hatte ein blasses Fischmuster.
Er mußte sich auch eine Badematte besorgen. Einen neuen Duschvorhang. Er wusch sich die Haare und seifte sich ein. Stand in
dem wunderbar heißen Wasserstrom.
Als er das Wasser ausschaltete, hörte er sein Handy klingeln. Er griff das Handtuch, rieb sich schnell über den Kopf, machte
drei Schritte zum Bett und schnappte es sich.
»Griessel.«
»Bist du nüchtern, Benny?«
Anna.
»Ja.« Er wollte sich gegen ihre Frage wehren, wollte wütend werden, aber er wußte, daß er kein Recht dazu hatte.
»Willst du die Kinder sehen?«
»Ja, das würde ich gern …«
»Du kannst sie Sonntag abholen. Für den Tag.«
»Okay, danke. Was ist mit dir? Kann ich dich auch …«
»Bleiben wir erst mal bei den Kindern. Zehn Uhr? Von zehn bis sechs?«
»Das ist in Ordnung.«
»Wiederhören, Benny.«
»Anna!«
Sie sagte nichts, legte aber auch nicht auf.
»Wo warst du heute abend?«
»Wo warst du, Benny?«
»Ich habe gearbeitet. Ich habe einen Serienmörder gefangengenommen. Cliffy Mketsu ist in die Lunge geschossen worden. Da war
ich.« Er hatte moralisches Hochland unter sich, jedenfalls einen kleinen Hügel, einen Maulwurfshügel, aber besser als nichts.
»Und wo warst du?«
|190| »Weg.«
»Weg?«
»Benny, ich habe fünf Jahre zu Hause gesessen, während du besoffen oder weg warst. Entweder betrunken oder nicht zu Hause.
Darf ich nicht am Freitag einmal ausgehen? Findest du nicht, daß ich verdient habe, zum ersten Mal in
Weitere Kostenlose Bücher