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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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altern – groß und schlank und unglaublich
     gut aussehend, manche Leute sagten, er sehe aus wie der Star in irgendeiner Fernsehserie, die Griessel allerdings nie gesehen
     hatte.
    »Gut, danke, Prof. Und Ihnen?«
    »Bestens, mein lieber Freund. Ich bin gerade fertig mit der unglückseligen Miss Laurens.«
    »Prof, die haben mir die ganze Show übertragen – Davids, Pretorius, alles. Bushy und die anderen haben mir gesagt, Sie glauben,
     es wäre ein Assegai gewesen.«
    »Das glaube ich nicht. Ich bin ziemlich sicher. Was ist nur anders an Ihnen, Nikita? Die Haare? Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.«
     Er ging voraus durch den Flur und öffnete die Schwingtüren zum Obduktionssaal mit einem kräftigen Stoß der Handflächen. »Es
     ist lange her, daß wir ein Assegai gesehen haben – es ist nicht mehr länger die Waffe der Wahl. Vor zwanzig Jahren war es
     häufiger.«
    In der Luft lag der Geruch von Tod, Formalin und billigem Lufterfrischer, die Klimaanlage summte leise. Pagel öffnete den
     Reißverschluß eines schwarzen Leichensacks. Laurens’ Überreste lagen dort nackt, wie in einem Kokon. Eine einzelne Stichwunde
     befand sich in der Mitte ihres Brustkorbs, zwischen den zwei kleinen Brüsten.
    »Was es bei Davids nicht gab«, sagte Pagel und zog ein paar Gummihandschuhe an, »war eine Austrittswunde. Die Einstichwunde
     war breit, etwa sechs Zentimeter, aber es gab sonst |207| nichts. Daraus schloß ich auf eine sehr breite Klinge oder zwei Stiche mit einer schmaleren Klinge, was allerdings ausgesprochen
     unwahrscheinlich ist. Aber ich habe nicht ›Assegai‹ gedacht. Bei Pretorius haben wir eine Austrittswunde, 2,7 Zentimeter breit,
     und eine Eintrittswunde von 6,2. Da hat es geklickt.«
    Er drehte Laurens’ Leiche auf die Seite. »Sehen Sie hier, Nikita. Die Austrittswunde ist direkt hier, knapp neben dem Rückgrat.
     Ich mußte die Einstichwunde für die chemische Analyse herausschneiden, deswegen können Sie die nicht mehr sehen, aber sie
     war noch breiter – 6,7, 6,75.«
    Er ließ die Leiche vorsichtig zurück auf den Rücken sinken und bedeckte sie. »Das verrät uns ein paar Dinge, die Sie interessant
     finden werden, Nikita. Die Klinge ist lang, ich schätze etwa sechzig Zentimeter. Wir sehen hier viele Stichwunden, die man
     mit Küchenmessern bekommt. Sie wissen schon, die Dinger, die man bei
Pick and Pay
kauft, die Klinge ist etwa 25 Zentimeter. Bei diesen Wunden gibt es eindeutig eine Schnittseite und manchmal sogar eine Austrittswunde,
     aber die ist nie breiter als ein Zentimeter. Die Einstichwunden sind normalerweise bei drei, selten vier Zentimetern. Hier
     haben wir zwei Schnittkanten, etwa wie bei einem Bajonett, bloß breiter und dünner. Deutlich breiter. Ein Bajonett richtet
     im Inneren auch mehr Schaden an, dafür ist es entworfen worden, wußten Sie das? Wir haben also eine sechzig Zentimeter lange
     Klinge mit einer schmalen Spitze, die in der Breite stetig zunimmt, bis sie schließlich fast sieben Zentimeter erreicht. Können
     Sie mir folgen, Nikita?«
    »Kein Problem, Prof.«
    »Es ist ein klassisches Assegai, nichts anderes paßt auf diese Beschreibung. Nicht einmal ein Schwert. Schwerter sind natürlich
     sowieso sehr selten, ich habe vielleicht in meinem ganzen Leben zwei Schwertwunden gesehen. Aber Schwerter verursachen viel
     größere Austrittswunden, und der Wundkanal ist viel gleichmäßiger. Aber das ist nicht der einzige Unterschied. Die chemische
     Analyse hat ein paar Überraschungen |208| ergeben. Winzige Mengen Asche, Tierfette und einige Komponenten, die wir zuerst nicht identifizieren konnten, wir mußten sie
     nachschlagen. Es war offensichtlich ›Cobra‹. Sie wissen doch, das Poliermittel, mit dem die Leute ihre Böden reinigen. Die
     Tierfette stammen vom Rind. Die findet man nicht auf Schwertern. Also habe ich nachgelesen, Nikita, denn es ist lange her,
     daß wir ein Assegai hatten, man vergißt das. Gehen wir in mein Büro, da sind die Notizen. Irgendwas an ihnen ist anders. Warten
     Sie, lassen Sie mich raten …«
    Pagel ging zurück in sein Büro.
    Griessel schaute an sich herunter. Er war gekleidet wie sonst, er konnte nichts Ungewöhnliches sehen.
    »Setzen Sie sich, mein lieber Freund, und lassen Sie mich Ihnen die Geschichte erzählen.«
    Er zog einen in schwarzes Leder gebundenen Band vom Regal und blätterte darin.
    »Die Asche. Damit polieren sie die Klinge, die Schmiede. Ich vermute, es sind Assegai-Schmiede, denn sie machen nichts

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