Der Atem des Jägers
anders.
Eine uralte Methode, früher haben sie damit auch das Kap-Silber poliert. Manchmal sieht man die Stücke noch in Antiquitätenläden,
sie sind ganz typisch. Das verrät uns, daß das Assegai auf traditionelle Art gefertigt wurde. Darauf kommen wir noch zurück.
Dasselbe gilt für den Rindertalg und die
Cobra -
Politur. Die braucht man nicht für die Klinge, sondern für den Schaft. Die Zulus behandeln damit das Holz, so daß es geschmeidig
glänzt und sich nicht verzieht.
Schön, schön, werden Sie sagen, aber das hilft uns alles nicht viel, um den Kerl zu erwischen – mit
Cobra -
Politur? Aber ich habe ein paar Anrufe gemacht, Nikita, ich habe einige Freunde unter den Kuratoren. Sie sagen mir, daß es
heutzutage drei Arten Assegai auf dem Markt gibt. Die, die sie auf dem Flohmarkt, auf dem Greenmarket Square verkaufen, können
wir vergessen. Die kommen aus dem Norden, manche sogar aus Malawi und Sambia, sind schlecht verarbeitet, haben kurze, dünne
Klingen, Metallschäfte und |209| reichlich afrikanisch anmutende Ziselierungen. Sie sind für Touristen, es sind Nachbildungen irgendwelcher rituellen afrikanischen
Assegais.
Dann gibt es sogenannte antike oder historische Speere beziehungsweise Assegai – entweder die kurzen Assegai für den direkten
Kampf Mann gegen Mann oder die langen Wurfspeere. Beide verfügen über Klingen, die zu unserem Wundprofil passen, aber es gibt
einen großen Unterschied: Die alten Assegai-Klingen sind pechschwarz vom Ochsen-, Schaf- und Ziegenblut, denn die Zulus schlachten
damit. Töten ihre Tiere. Und die Aschereste sind unter dem Mikroskop in viel größerer Menge zu sehen. Wußten Sie, Nikita,
daß diese alten Assegais für fünf- bis sechstausend das Stück verkauft werden? Bis zu zehntausend, wenn sie gut gealtert sind.
Aber bei keinem unserer Opfer gab es Spuren von Tierblut, was bedeutet, ihr Assegai ist entweder antik und wurde extrem gut
gereinigt – oder es gehört zur dritten Art: genau dieselbe Form und Herstellungsweise wie bei den alten, aber jetzt erst gemacht.
Der fehlende Rost deutet auf letzteres hin. Ich habe das Labor gebeten, unter dem Spektrometer nach Oxidationsspuren in den
Wunden zu suchen, und es gab praktisch keine. Kein Rost – kein Alter. Ihr Assegai wurde in den letzten drei oder vier Jahren
hergestellt, höchstwahrscheinlich sogar in den letzten achtzehn Monaten.
Oh, und eins noch: Ich vermute, das Assegai wird nach den Morden nicht gründlich gereinigt. Wir haben in Laurens’ Wunde Spuren
vom Blut und der DNA der ersten beiden Opfer gefunden. Was heißt, daß es dieselbe Waffe und höchstwahrscheinlich derselbe
Mörder war.«
Damit erledigte sich seine Theorie, daß Bothma mit dem Mord an Laurens zu tun hatte. Griessel nickte Pagel zu.
»Die Sache ist, Nikita, es gibt nicht mehr viele Leute, die traditionelle Assegais fertigen können. Die Nachfrage ist gering.
Die meisten von ihnen leben in den ländlichen Gegenden von KwaZulu, wo die Traditionen noch hochgehalten werden und sie die
Ochsen auf alte Art schlachten. Dort |210| nehmen sie noch Rindertalg für die Schäfte und kaufen
Cobra
, um ihre
stoeps
zu polieren. Ich glaube auch nicht, daß wir es mit einem langen Wurfspeer zu tun haben. Der Winkel der Eintrittswunde ist
nicht hoch genug. Ich glaube, es ist ein Assegai, das ein Schmied irgendwo in den Weiten der Makathini gefertigt hat, im letzten
Jahr. Natürlich stellt sich die Frage, wie, um Himmels willen, kommt es von dort nach hier, in die Hände eines Mannes, der
ein Hühnchen zu rupfen hat mit Leuten, die Kindern etwas antun? Eine eigenartige Wahl der Waffe.«
»Ein Mann, Prof?«
»Ich glaube schon. Ein Assegai durch das Brustbein zu rammen ist nicht so schwer, aber es durch den ganzen Körper zu stoßen,
dabei vielleicht noch eine Rippe zu brechen und auf der anderen Seite vier oder fünf Zentimeter weit herauszukommen, verlangt
viel Kraft, Nikita. Oder große Wut und reichlich Adrenalin, aber wenn es eine Frau ist, dann ist sie eine Amazone.«
»Es ist eine gut gewählte Waffe, Prof. Leise. Effizient. Man kann sie nicht so leicht nachverfolgen wie eine Feuerwaffe.«
»Aber selbst das Assegai ist nicht klein, Nikita. Eineinhalb Meter, vielleicht länger.«
Griessel nickte. »Die Frage ist: Warum ein Assegai? Warum nicht ein großes Jagdmesser oder ein Bajonett? Wenn man jemand erstechen
will, gibt es reichlich Auswahl.«
»Es sei denn, man will etwas damit
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