Der Atem des Jägers
Inspektor. Man sagt so etwas, weil man leidenschaftlich davon überzeugt
ist, daß unsere Frauen und Kinder geschützt werden müssen. Man sagt es als Reaktion auf das, was man für |218| weithergeholte Schauermärchen der Opposition hält. Ich meine: Lynchjustiz … Vielleicht habe ich gedacht, so weit würde es
nie kommen. Oder wenn doch, dann wäre es ein Einzelfall, den die Polizei schnell klären und mit einer Verhaftung sühnen würde.
Man sieht so etwas nie vorher … nicht das, was im Moment los ist.«
Le Grange beugte sich vor. »Sie werden mir meine eigenen Worte zum Fraß vorwerfen. Aber das gehört zum Job. Das ist mein Risiko.
Das ist mir egal. Wichtig ist mir aber das Gesetz. Deswegen bitte ich Sie, diesen Killer zu stoppen. Damit wir unsere Frauen
und Kinder beschützen können.«
»Ich verstehe«, sagte er wieder.
»Was brauchen Sie, Benny?« fragte der Commissioner, als wären sie alte Freunde.
Er zögerte, bevor er antwortete. Er schaute von dem Politiker zum Polizeichef des Western Cape und sagte dann: »Das einzige,
was wir nicht mehr länger haben, Commissioner. Zeit.«
»Und außerdem?« Sein Ton verriet, daß das nicht die gewünschte Antwort war.
»Benny meint, daß diese Art Fall kompliziert ist. Das Problem besteht im Fehlen eines offensichtlichen Motivs«, sagte Matt
Joubert.
»Das stimmt«, sagte Griessel. »Wir wissen nicht, warum er das tut.«
»Warum tut jemand schon so etwas?« fragte le Grange. »Doch wohl, um die Kinder zu schützen. Das ist doch offensichtlich.«
»Ein Motiv«, sagte John Afrika, »dient zur Identifikation, Mr. le Grange. Wenn das Motiv des Assegai-Mannes nur darin besteht,
die Kinder zu schützen, dann identifiziert es ihn als einen von etwa zehn Millionen besorgten Männern in diesem Land. Jeder
will die Kinder schützen. Aber nur einer mordet, um das zu erreichen. Was unterscheidet ihn von den anderen? Warum hat er
sich für diesen Weg entschieden? Das müssen wir in Erfahrung bringen.«
|219| »Es gibt ein paar Dinge, die helfen würden«, sagte Griessel. Alle schauten ihn an.
»Wir müssen wissen, ob Enver Davids der erste war. Soweit wir wissen, ist er der erste im Western Cape. Aber Verbrechen an
Kindern ereignen sich überall. Vielleicht hat er irgendwo anders angefangen.«
»Was hilft das?« fragte le Grange.
»Das erste Opfer könnte relevant sein. Es könnte persönlich sein. Eine persönliche Rache. Und dann stellt er fest, daß es
ihm gefällt. Vielleicht. Wir müssen das in Erwägung ziehen. Das zweite, was uns helfen könnte, wären andere Assegai-Morde
oder Angriffe. Es ist eine einzigartige Waffe. Der Leichenbeschauer sagt, sie wird kaum mehr benutzt. Man kauft sich kein
nagelneues Assegai im Supermarkt. Warum hat er sich die Mühe gemacht, eins zu besorgen? Und die Frage ist auch, wo hat er
es her? Professor Pagel sagt, Zululand. Könnten unsere Kollegen in Durban uns helfen? Wissen die, wer diese Dinger herstellt
und verkauft? Könnten sie dort herumfragen? Und als letztes sollten wir eine Liste aller Verbrechen gegen Kinder erstellen,
die in den letzten achtzehn Monaten angezeigt wurden. Vor allem von denen, wo die Verdächtigen nicht bestraft wurden.«
»Glauben Sie, er ist auf einem Rachefeldzug?« fragte Rechtsanwalt le Grange.
»Das ist auch eine Möglichkeit«, sagte Griessel. »Wir müssen alles in Erwägung ziehen.«
»Das sind Hunderte von Fällen«, sagte der Commissioner. »Deswegen sagt Benny, er braucht vor allem Zeit«, sagte Matt Joubert.
»Scheiße«, sagte le Grange.
»Amen«, sagte John Afrika.
Der Südost-Wind wehte so stark, daß sie sich vorbeugen mußten, um zu ihren Wagen zu gehen.
»Gut gemacht, Benny«, rief Joubert über das Rauschen des Windes.
|220| »Du auch.« Und dann: »Weißt du was, wenn du mehr trinken würdest, könntest du jetzt auch noch Inspector sein.«
»Anstatt ein Senior Superintendent, der sich mit diesem ganzen politischen Scheiß rumplagen muß?«
»Genau.«
Joubert lachte. »So kann man es auch sehen.«
Sie erreichten Griessels Wagen. »Ich geh mal schnell nach Cliffy schauen«, sagte er.
»Ich auch. Wir sehen uns dort.«
Vorsichtig drückte er die Tür des Krankenhauszimmers auf und sah sie dort sitzen – die Frau und die zwei Kinder um das Bett,
alle badeten im gelben Lichtschein der Nachttischlampe. Mketsus Frau hielt seine Hand, die Kinder saßen auf der anderen Seite,
ihr Blick ruhte auf ihrem verwundeten Vater. Cliffy lag
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