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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Anspruch erhoben, über die See zu gebieten, in Wirklichkeit nur die Herrschaft über die Küstengewässer inne, in denen sie operierten. Nach der Einführung der Längengrade und der Möglichkeit, sie genau zu bestimmen, erweiterte sich dieses Herrschaftsgebiet beträchtlich und schloss auch die fernen Regionen des Ozeans ein. Und »the command of the sea« innezuhaben erhielt im neuen Zeitalter von Handel und Kommerz immer größere Bedeutung. Für die Verwirklichung imperialistischer Ambitionen war es viel wichtiger, die Kontrolle über das Meer zu erlangen als die über irgendwelche Ländereien.
    Derjenige, der den größten Einfluss, die größte Macht über den Atlantik besaß – über die Schifffahrtsrouten, die sich gerade auszubilden begannen –, genoss einen gewaltigen Vorteil, was den Handel betraf. Die großen europäischen Mächte, die am östlichen Küstengürtel des Atlantiks lagen – und nach einiger Zeit auch die amerikanischen, an seinem westlichen Rand gelegenen –, stritten alle um die Oberhoheit über die Meere. Oft wurden solche Streitigkeiten auf vernünftige Weise, das heißt friedlich, beigelegt. Doch hin und wieder schlugen sie in offene Feindseligkeiten um, und anstatt die Kämpfe von Heeren in fremden Gefilden austragen zu lassen, konnte man eine Entscheidung herbeiführen, indem man Kriegsflotten gegeneinander antreten und Schlachten in der neutralen Zone der Hochsee austragen ließ.
    Um diese Kämpfe zu führen, war man auf eine Reihe neuer Taktiken angewiesen sowie auf den sinnvollen und effizienten Einsatz der immer weiter entwickelten Bordartillerie. Die erste Konfrontation dieser Art war eine Schlacht, die unter dem Datum, an dem sie geschlagen wurde, in die Geschichte eingegangen ist; die Schlacht vom 18. September 1639, bei der im Ärmelkanal die Flotten Hollands und Spaniens aufeinandertrafen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren solche Kämpfe auf hoher See äußerst chaotische Angelegenheiten gewesen, gewaltigen Schaum aufwirbelnde mêlées , 34 bei denen die Schiffe sich in einem wilden allgemeinen Getümmel schwerfällig hin und her drehten, mit am Bug aufgestellten Geschützen aufeinander feuerten, wobei sie nicht selten eines aus den eigenen Reihen trafen, und sich mit Flaggensignalen zu verständigen suchten, die aber durch den Pulverdampf hindurch so gut wie gar nicht zu erkennen waren. Jeder Kommandant versuchte sich in dem allgemeinen Aufruhr mit der Taktik zu behaupten, die er persönlich für angebracht hielt. Doch bei der Schlacht im Jahr 1639 verfiel der holländische Oberbefehlshaber auf die an sich simple Idee, sämtliche Einheiten seiner Flotte in einer Linie aufzureihen, so dass sie der gegnerischen Streitmacht alle ihre Flanken präsentierten; dann ließ er das Feuer eröffnen und eine verheerende Breitseite nach der anderen in jedes spanische Schiff, das in Schussweite kam, jagen.
    Diese Technik, die man von da an als Bilden einer »Schlachtlinie« bezeichnete, sollte bei Seeschlachten bis zur Erfindung des Dampfschiffs in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts dominieren. Da stärkere und immer noch stärkere Schiffe erforderlich waren, wenn sie ihre Position in einer solchen Linie einhalten wollten – vor allem wenn die feindlichen Einheiten sich ebenfalls in Kiellinie aneinanderreihten und Seeschlachten sich zu furiosen Schusswechseln zwischen zwei langen Reihen von gegnerischen Seglern entwickelten –, begann man, besonders große, robuste Schiffe mit vielen Geschützen zu bauen, die als »Linienschiffe« bekannt wurden.
    Das Aufeinandertreffen von Spaniern und Holländern im Ärmelkanal, das zu einer noch erbitterter ausgefochtenen Schlacht bei den Downs vor der Küste Kents führte, die damit endete, dass die Spanier die Flucht ergriffen, nachdem sechstausend ihrer Männer gefallen waren und sie dreiundvierzig Schiffe verloren hatten, war noch eine Konfrontation in Sichtweite des Landes. Die erste Schlacht weit draußen auf dem Ozean fand mehr als anderthalb Jahrhunderte später statt, im Jahr 1794, und wird in den englischen Geschichtsbüchern unter der Bezeichnung »Glorious First of June« (Glorreicher 1. Juni) geführt. 35 Sie wurde, mehr oder weniger unter Verwendung der von den Niederländern 1639 entwickelten Taktik, zwischen fünfundzwanzig britischen und sechsundzwanzig französischen Linienschiffen ausgetragen, und zwar eben nicht in der Nähe der Küste, sondern mitten auf dem Ozean, ungefähr vierhundert Meilen westlich von der

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