Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
dann zogen die britischen Kapitäne mit ganzen Wagenladungen voll von solchen Barren oder Längen Stoff entweder zu den Sklavenforts, die von der Royal African Company betrieben wurden, und kauften dort offiziell gehandelte Sklaven zu regulierten, festgesetzten Preisen, oder aber sie scherten sich nicht um die Konventionen und besuchten die flussaufwärts gelegenen Sklavenmärkte, auf denen die einzelnen Händler sich gegenseitig Konkurrenz machten, also zu unterbieten versuchten. Dort wählten sie aus der Schar dunkelhäutiger Menschen Männer, Frauen oder auch Knaben aus, die am besten dafür geeignet schienen, auf der anderen Seite des Ozeans schwere Arbeiten zu verrichten.
Ob diese Unglücklichen von Orten stromaufwärts an die Küste geschafft wurden oder durch eines der Tore ohne Wiederkehr in die Forts an der Goldküste und den anderen Sklavenfaktoreien marschieren mussten, sie wurden zunächst brutal auf eines der wartenden Transportschiffe getrieben. Dort verpasste man ihnen ein Brandzeichen – oft in Form der Initialen DY, die für Duke of York standen – und schloss sie paarweise mit Hand- und Fußfesseln aneinander. Dann wurden sie in die Laderäume gestoßen, wo sie während der Passage in langen Reihen lagen. Die Händler konnten nur hoffen, dass sie die Fahrt überleben würden – eine Hoffnung, die aber keineswegs einem Mitgefühl entsprang, sondern rein kommerziellen Beweggründen.
Es gab eine Art Gewerbeaufsicht, die festsetzte, wie viele Sklaven pro Tonne Schiffsraum ein Händler an Bord nehmen durfte. Diese Zahl wurde im Lauf der Zeit hin und wieder verändert, aber man kann davon ausgehen, dass ein Schiff von fünfhundert Tonnen mehr als dreihundertsechzig Sklaven transportierte. Diese mussten aber wie Holzscheite eng aneinandergeschichtet werden, und sie lagen in mehreren »Etagen« übereinander, auf hölzernen Plattformen, die in der Höhe nicht mehr als ungefähr siebzig Zentimeter Abstand hatten. Sogar bei ruhiger See und kühlem Wetter waren das unerträgliche Bedingungen, wenn es jedoch heiß war und der Wellengang hoch – was auf der achtwöchigen Fahrt häufig vorkam –, dann war es wirklich nicht mehr auszuhalten. Die sanitären Verhältnisse waren unbeschreiblich, keiner hatte auch nur die geringste Privatsphäre. Sicherheit ging den Weißen an Bord über alles. Die Gefangenen wurden streng überwacht und kontrolliert, und jeder Versuch zur Erhebung oder zur Meuterei wurde brutal im Keim erstickt. Die Sklaven erhielten zweimal am Tag etwas zu essen: Yamswurzeln, Reis, Gerstenschrot, Maismehl und Schiffszwieback, alles zusammengekocht und zu einem unappetitlichen Brei verrührt. Zum Schutz gegen Skorbut (denn in den Verträgen mit den amerikanischen und karibischen Importeuren war eigens spezifiziert, dass die Sklaven in gutem körperlichem Zustand anzuliefern waren) befahl man ihnen, zweimal täglich ihre Münder mit Limettensaft zu spülen. Man ließ sie auch »tanzen« – das heißt, sie wurden an Deck geholt, damit sie sich Bewegung verschafften, indem sie rhythmisch auf den Planken auf und ab hüpften, soweit ihre Fußfesseln dies zuließen. Mit Peitschen bewehrte Matrosen standen dabei und sorgten dafür, dass jeder mitmachte und seine Muskeln geschmeidig hielt.
Die weißen Besatzungsmitglieder auf einem Sklavenschiff lebten in ständiger Furcht vor einem Aufstand der ihnen zahlenmäßig weit überlegenen Schwarzen. Jeder Akt des »Ungehorsams« wurde daher grausam bestraft, um Gedanken an einen Widerstand im Keim zu ersticken. Hier ist eine junge Frau dargestellt, die mit den Füßen nach oben am Mast hochgezogen wird, um vom Bootsmann des Schiffs ausgepeitscht zu werden. Bilder dieser Art wurden häufig von Abolitionisten verwendet, um Unterstützung für ihren Feldzug zur Abschaffung der Sklaverei zu erhalten.
© Mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress Prints and Photographs Division
Die Grausamkeit der master und der Aufseher war legendär: Männliche Gefangene wurden gequält, auf Frauen fanden sexuelle Übergriffe statt, kranke Sklaven wurden über Bord geworfen (solange der Verlust durch die abgeschlossene Versicherung gedeckt war). Ein Bericht über eine bestimmte Passage reicht aus, um zu verdeutlichen, unter was für entsetzlichen Umständen die Schwarzen wochenlang dahinvegetierten. Er ist Teil von Aussagen, die ein Matrose namens Isaac Parker von der Sklavenbrigg Black Joke , die von einem gewissen Kapitän Thomas Marshall kommandiert wurde,
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