Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Aufkommen von verschiedenen Dinosaurierarten begünstigte –, sich vor ungefähr 199,6 Millionen Jahren ereignete. War es möglich, dass der einschneidendste biologische Effekt von Vulkanausbrüchen, wie gewaltig diese auch waren, erst nahezu zwei Millionen Jahre später eintrat? Das kommt einem ein wenig unwahrscheinlich vor, doch in einigen Forschungsinstituten versucht man immer noch, die beiden Ereignisse miteinander zu verbinden, nicht zuletzt auch deswegen, weil das die ganze Geschichte dramatischer machen würde.
Der große Kontinent öffnete sich. Diese Öffnung ging aber nicht so glatt, so in einem »Rutsch« vor sich wie bei einem Reißverschluss. Es war vielmehr ein uneleganter, ruckartig verlaufender Prozess, so ähnlich wie das Sicherheben eines Kamels. Erst tat sich ein Teil des Ozeans auf, dann weit weg ein anderer, danach ein Abschnitt in der Mitte, anschließend einer an einem Ende, dann wieder einer in der Mitte. Die ersten Wogen dieses Meeres schlugen an die Küsten des östlichen Kanadas und Nordwestafrikas, die fast genau zu Anfang des Jura-Zeitalters, also vor etwa 195 Millionen Jahren, immer weiter auseinanderzudriften begonnen hatten. Das war der Zeitpunkt, zu dem der Atlantische Ozean wirklich zum Leben erwachte.
Zwanzig Millionen Jahre später kam der Prozess der Meeresbodenspreizung mit Macht in Gang. Er setzte mitten in der See ein; es war ungefähr so, als würden sich zwei Teppiche entrollen oder zwei Förderbänder sich in entgegengesetzten Richtungen von einem annähernd in der Mitte tief unter der Wasseroberfläche gelegenen Punkt aus abwickeln. Der Meeresgrund fing an aufzuplatzen oder aufzubrechen, und seine beiden Hälften strebten kontinuierlich voneinander weg, wobei sich auch die Kontinente auf jeder Seite stetig und ständig weiter voneinander entfernten. Westafrika rückte zirka dreihundert Meilen von South Carolina ab, Mali schob sich ein paar hundert Meilen von Florida weg, und dort, wo später einmal die Windward Islands liegen würden, breitete sich schon eine große Wasserfläche aus; zwischen Liberia und Venezuela tat sich eine fast tausend Meilen breite Kluft auf und füllte sich mit Salzwasser. In diesem mittleren Abschnitt entstand so ein Gewässer, das beinahe so groß wie das heutige Mittelmeer war; anders als das Mittelmeer, dessen Größe relativ stabil ist, nahm es jedoch ständig an Umfang zu.
Als würde ein Countdown weiterlaufen, begann Grönland 4 sich vor 150 Millionen Jahren immer weiter von Norwegen zu trennen, während Island sich aus der Tiefe der See heraus aufbaute. (Der spektakuläre Ausbruch des Eyjafjallajökull, des isländischen Vulkans, der zuvor zwei Jahrhunderte lang inaktiv gewesen war, durch den im Frühjahr 2010 immense Wolken vulkanischen Staubs in große Höhen geblasen wurden, was den Flugverkehr über Nordeuropa empfindlich beeinträchtigte, ist noch Teil dieses Aufbauprozesses. Surtsey, eine nur ein paar Meilen vom Eyjafjallajökull entfernt gelegene Insel, die 1963 neu geboren wurde, liefert vielleicht einen klareren Beleg dafür, dass Island nach wie vor ständig anschwillt, doch der Eyjafjallajökull spuckte wesentlich mehr Lava aus, wenn auch das meiste davon hoch in den Himmel geschleudert wurde.)
Gleichzeitig waren die seichten Gewässer vor den nördlichen Küstengebieten der Britischen Inseln tiefer geworden, und große offene Wasserflächen mit starkem Wellengang trennten jetzt Irland von Labrador. Zehn Millionen Jahre später hatten Guinea, Gambia, Senegal und Sierra Leone sich gewaltsam von den Küsten der Regionen gelöst, aus denen einmal Guyana, Surinam und Französisch-Guyana werden und die eine ähnliche Randlage in Südamerika einnehmen würden. Bis dahin hatten sie alle zusammengehangen, jetzt trennten sie fünfhundert Meilen Ozean.
Es war ganz offenkundig die Meeresbodenspreizung, die in der frühen Kreidezeit, vor 150 Millionen Jahren, den Prozess der Kontinentalverschiebung vorantrieb – denn es kam zu keiner weiteren dramatischen vulkanischen Aktivität mehr, die dazu hätte beitragen können. In Gang gesetzt und gehalten wurde die Meeresbodenspreizung durch das Sichformieren des Mittelatlantischen Rückens. Dieser linear verlaufende Gebirgszug auf dem Grund der See, dessen Kamm von Rissen durchzogen und aufgebrochen sowie von aktiven Vulkanen übersät war, würde in der weiteren Geschichte des Ozeans eine entscheidende Rolle spielen. Dort wurde aus dem Erdinneren neues Material für die Erdkrustenbildung
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