Der Attentäter - The Assassin
geändert, auch wenn der Bürgermeister ständig von Stadterneuerung redete. Laut einer im Jahr 2000 erhobenen Statistik gehörte die South Bronx zu einem der ärmsten Wahlkreise im ganzen Land.
Mit anderen Worten, es war nicht unbedingt die Gegend, wo man eine sichere Wohnung des FBI erwartete. Als Ryan Kealey den unregelmäßig gepflasterten Bürgersteig hinabging, galt sein Interesse nicht den dicht an der Straße stehenden Häusern aus rotem Backstein, sondern den wenigen am Bordstein geparkten Autos. Am Flughafen hatte er sich einen Honda Accord gemietet, mit dem er zuerst einmal die ganze Länge der Vyse Avenue abgefahren war. Zwar war er halbwegs beeindruckt, dass man beim FBI auf die Idee kam, eine sichere Wohnung in einer Gegend wie dieser zu unterhalten, doch er glaubte nicht, dass sich die Umsicht auf die Anschaffung von
Fahrzeugen erstreckte, die gut in das Viertel passten. Dafür gab es im Budget keinen Posten. Fahrzeuge von Regierungsbehörden waren gewöhnlich leicht zu erkennen, und er hatte auch schon eines entdeckt, das eventuell in Frage kam.
Dieses Auto war ein dunkelblauer Crown Victoria, ein Fahrzeug, das häufig vom FBI benutzt wurde. Nachdem er einen Blick auf das Nummernschild geworfen hatte - ein ganz gewöhnliches Kennzeichen -, schaute er durch das Fenster in das Wageninnere, das ungewöhnlich sauber wirkte, zumindest für ein Fahrzeug in dieser Gegend. Kein Funkgerät am Armaturenbrett, doch das war nicht weiter überraschend, da es schließlich kein Streifenwagen der örtlichen Polizei war. Trotzdem konnte es durchaus der unauffällige Dienstwagen eines Detective vom New York Police Department sein. Aber wenn Harpers Kontakt beim FBI den Ort der sicheren Wohnung halbwegs richtig angegeben hatte, war durchaus denkbar, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.
Er studierte die Umgebung. Die Straße lag seltsam verwaist da. Er hatte den Accord ein paar Blocks weiter abgestellt, und während des kurzen Fußmarschs waren ihm nur ein paar Kids aufgefallen, die mitten auf der Straße Baseball spielten. Die Vyse Avenue war zu beiden Seiten von zweistöckigen Doppelhäusern gesäumt, die nur unten eine Backsteinfassade hatten. Darüber war die Frontseite mit einem billigeren Material verkleidet. Die Häuser wirkten friedlich, aber die Fenster im Erdgeschoss waren mit dicken Riegeln gesichert, und vor den kurzen Auffahrten standen brusthohe Stahlzäune. Nur hier und da gab es ein paar verkrüppelte Bäume oder ein Fleckchen Rasen, auf unbebauten Grundstücken, mit Abfall übersät, wuchsen Disteln.
Nachdenklich ging er den gleichen Weg zurück. Selbst
wenn er mit seiner Vermutung hinsichtlich des Autos richtig lag, war damit noch nicht das Problem aus der Welt, dass er nicht wusste, welches Haus das FBI benutzte. Und auch wenn er es gewusst hätte, wäre er nicht in das Gebäude gelangt. Falls Samantha Crane sich mit Rudaki in einem dieser Häuser aufhielt, hatte sie wahrscheinlich mindestens einen anderen FBI-Beamten dabei. Wenn er versuchte, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, hatte er mit Sicherheit ein Problem.
Als er eine Minute später den Accord erreichte, standen ein paar junge Latinos in weit geschnittenen Klamotten um das Auto herum. Einer saß auf der Motorhaube des Mietwagens, ein anderer trank aus einer in einer braunen Papiertüte steckenden Flasche. Er glaubte den Grund ihres Interesses zu kennen; außer dem Crown Vic war der Accord im Umkreis von vier Blocks locker das beste Auto. Wahrscheinlich warteten sie nur auf jemanden, mit dem sie sich anlegen konnten. Einer der Jugendlichen sagte etwas zu seinem auf der Motorhaube sitzenden Kumpel, und der grinste, als könnte er die bevorstehende Konfrontation gar nicht abwarten.
Kealey blickte sie der Reihe nach an, und schließlich sagte der Teenager auf der Motorhaube: »Deine Karre, Mann?«
Er nickte. »Ja.«
»Nicht übel. Könnte mir gefallen, so ein Schlitten. Im Moment wären mir aber ein paar Zwanziger lieber.« Er stemmte sich hoch und ließ sich fallen, als wollte er die Stoßdämpfer testen. Dann kickte er mit dem Absatz gegen den Kotflügel, was einen Kratzer hinterließ. »Müsste mal richtig lackiert werden. Weiße kaufen immer den gleichen Scheiß.«
Die anderen kicherten und warteten auf seine Reaktion. Statt zu protestieren, trat Kealey dicht an die Teenager heran und musterte sie schnell. Eigentlich glaubte er nicht, dass sie etwas
Gefährlicheres als ein Messer dabeihatten, aber er musste auf Nummer sicher
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