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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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wie ein Pennäler bei der ersten Tanzstunde.
    Das Hausmädchen ging voraus und öffnete die Tür zum Salon. Die Feier war schon in vollem Gange. Fünfunddreißig oder vierzig Gäste saßen oder standen in dem großen Raum, der von einem pechschwarzen, glänzenden Flügel beherrscht wurde.
    Kaum hatten sie den Raum betreten, kam ein junger, sehr schlanker Mann, Daut schätzte ihn auf Mitte dreißig, in einem abgewetzten Anzug auf sie zu und begrüßte Carla mit einem Handkuss.
    »Wunderbar, dich zu sehen, meine Liebe.«
    Daut hatte das Gefühl, dieses markante Gesicht mit der ausgeprägten Unterlippe schon einmal gesehen zu haben, aber ihm fiel der Name nicht ein. Der Mann hakte Carla unter, drehte sich kurz zu Daut um und verschwand mit ihr in Richtung einer kleinen Bar, auf der zahlreiche Karaffen standen, vermutlich gefüllt mit den edelsten, für normalsterbliche Bürger unerreichbaren Cognacs und Whiskeys.
     
    Daut nestelte ein zerknautschtes Päckchen Ernte 23 aus der Jacketttasche. Es dauerte eine Weile, bis er eine Zigarette so weit herausgeschüttelt hatte, dass er sich das Ende zwischen die Lippen stecken und sie so aus der Packung ziehen konnte. Er verfluchte seine Unbeholfenheit. Obwohl er seit einem Vierteljahrhundert mit dieser Holzhand lebte, fühlte er sich in solchen Momenten immer noch unwohl. Er steckte das Zigarettenpäckchen zurück in die Tasche und fingerte nach seinem Feuerzeug.
    »Darf ich Ihnen helfen?«
    Die Stimme ließ ihn erstarren. Tausend Mal hatte er sie gehört. In großen Kinosälen und daheim, wenn er abends allein auf seinem Bett saß und die Schallplatte sich auf dem Plattenteller drehte. Für einen Moment wagte er nicht aufzusehen, aus Angst, es könne nur eine Täuschung sein. Aber es war tatsächlich Zarah Leander, die ihm ein brennendes Feuerzeug unter die Nase hielt. Dauts Hand zitterte, als er die Zigarette in die Flamme hielt und einen tiefen Zug nahm.
    »Sie müssen Axel sein, Carlas Beschützer.«
    Offenbar hatte Carla ihr erzählt, wer sie an diesem Abend begleiten würde und dass Kurt inhaftiert worden war.
    »Was glauben Sie ist der Zweck dieser Verhaftung? Will man die Menschen einschüchtern, oder bringen sie jetzt auch die letzten Berliner Juden in die Lager?«
    Daut erschrak über die offene, direkte Frage. So etwas war man in diesen Tagen nicht gewohnt.
    »Schwer zu sagen, Frau Leander.«
    Sie legte ihm die Hand auf den rechten Oberarm.
    »Zarah, bitte. Aber Sie sind Polizist, Sie haben Kontakte. Wer, wenn nicht Sie, weiß, was hier geschieht.«
    »Ich glaube, dass Sie den Einfluss der Ordnungskräfte in diesem Land überschätzen. Aktionen wie diese laufen so diskret wie möglich ab. Eins aber scheint mir sicher: Eine Verhaftungswelle dieser Größenordnung muss von langer Hand geplant sein. Die meisten der beteiligten SS-Leute stammen von der Leibstandarte Adolf Hitler, und die wird nur bei besonders wichtigen Operationen eingesetzt.«
    »So, so, die Leibstandarte ...« Die Leander hob beide Brauen, was ihre Augen noch größer erscheinen ließ. Dabei verzog sie ihren Mund zu einem breiten Lächeln. Sie hakte ihren Arm bei Daut ein, er spürte den edlen Stoff des beigen Kleides an seiner Hand.
    »Wie dem auch sei, Sie müssen den beiden helfen. Carla ist eine äußerst talentierte Schauspielerin, und sie liebt ihren Kurt. Versprechen Sie es mir? Sie finden bestimmt Mittel und Wege.«
    Daut nickte stumm - was sollte er auch tun. Der Leander widersprechen? Unmöglich. Zarah führte ihn ans andere Ende des Raumes.
    »Kommen Sie, Sie sollten sich zu unseren Künstlern gesellen.«
    Sie brachte ihn an den Tisch, an dem Carla mit dem jungen Mann saß, der sie vom Entrée weg entführt hatte. Carla stellte ihn als Michael Jary vor und zeigte dann auf seinen Tischnachbarn.
    »Und hier haben wir den zweitwichtigsten Mann in meinem Leben. Ohne Bruno wären meine Lieder nichts, und ohne meine Lieder ...«
    Der Angesprochene erhob sich und deutete eine Verbeugung an.
    »Balz, Bruno Balz, angenehm.«
    Daut wunderte sich über die Förmlichkeit, er hatte bisher immer geglaubt, Künstler gäben nichts auf Konventionen.
    Zarah deutete auf die Dame neben dem Dichter.
    »Zum Schluss habe ich noch die Freude, Sie mit Brunos Angetrauter Selma bekannt zu machen.«
    Daut glaubte, Spott in der Stimme zu hören. Aber konnte man bei Schauspielerinnen seinen Sinnen trauen?
    Die Leander legte ihren Arm um Dauts Schulter, eine Berührung, deren Intimität ihn für einige Sekunden aus der

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