Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
Vom Netzwerk:
obwohl er natürlich am liebsten ... Dann eine Stimme, Daut kannte sie nicht.
    »Waldemar.«
    Augenblicklich riefen alle Anwesenden im Chor:

    »Waldemar. Waldemar.«
    Mit einer beinahe zärtlichen Geste bat Zarah Michael Jary an den Flügel und stimmte das bekannte Lied an. Den Refrain sangen alle mit:
    »Er heißt Waldemar und hat schwarzes Haar,
    er ist weder stolz noch kühn, aber ich liebe ihn.«
    Daut konnte den Blick nicht von der Sängerin abwenden. Was für eine Ausstrahlung diese Frau hatte. Ihre dunkle Stimme brachte die Luft im Raum zum Schwingen, und hier, bei ihren Freunden, gab sie dem Lied eine andere Bedeutung. Wahrscheinlich war sie unterschwellig schon immer da gewesen, aber Daut verstand sie erst jetzt, und als Zarah der Textzeile Seine Heimat ist Berlin, aber ich liebe ihn ein leises trotzdem hinzufügte, jagte es ihm einen Schauer über den Rücken.
    Mit dem letzten Ton setzte frenetischer Applaus ein. Balz sprang auf, rannte zur Bar und stellte einen mit Eis gefüllten Sektkübel auf den Flügel. Mit großer Geste holte er eine Flasche Bommerlunder aus dem Eis und goss ein Whiskyglas halb voll. Mit einer Verbeugung reichte er es Zarah, die es in einem Zug leerte. Dabei warf sie den Kopf mit ihrem wallenden Haar in einer Art Triumpfgeste nach hinten. Die Gäste tobten.
    »Wir wollen mehr! Zugabe.«
    Zarah gebot mit einer herrischen Geste Ruhe. Sie schaute direkt in Dauts Richtung, der inzwischen mit Carla alleine am Tisch stand, Selma war gegangen. Die Leander sah ihn mit leicht schräg gestelltem Kopf und nach unten geneigtem Kinn fragend an. Er sollte sich ein Lied wünschen, und dabei hatte er immer noch einen Kloß im Hals und flüsterte mehr, als er sprach: »Bitte, singen Sie Ich weiß, es wird einmal ...«
    Weiter kam er nicht, weil alle anderen enthemmt einfielen.
    »Wunder! Wunder!«
    Balz schenkte ihr noch ein Glas ein. Sie nippte nur daran und nickte Jary zu, der zu spielen begann. Vom ersten Ton des Liedes an ließ Zarah den Blick auf Daut gerichtet. Sie sang allein für ihn, als wüsste sie, was dieses Lied ihm bedeutete. Nur mit Mühe konnte er die Tränen zurückhalten. Als sie die letzte Zeile beendet hatte, spielte Jary am Flügel einfach weiter, als müsste er die Melancholie vertreiben. Zarah lachte, trank das Glas leer und rief:
    »Na gut, wenn es dem Michael heute Abend so gefällt, dann hört ihr auch noch ein neues Lied.«
    Zum zweiten Mal versank Daut in dieser einmaligen Stimme, die so nah und klar war und die er nie wieder ohne die Verzerrung der Kinolautsprecher oder das Knistern der Schallplattennadel hören würde.
    Daut kannte das Lied nicht. Jede Nacht ein neues Glück war ein beschwingtes, fröhliches und freches Stück, das Zarah wie ein sinnlicher Vamp sang. Kaum war der letzte Ton verklungen, begannen die Sirenen zu heulen.
    »Na, das passt ja prima zum Titel«, rief Balz lachend und griff den Sektkübel.
    Alle blieben relativ gelassen, applaudierten sogar noch, ehe sie Richtung Ausgang gingen. Die Angriffe auf Berlin waren bisher glimpflich verlaufen, und hier in Dahlem wären sie ohnehin sicher. Warum sollten die Tommies Bomben für Villen verschwenden.
    Wieder war es Balz, der die Initiative ergriff.
    »Also gut, geordneter Rückzug in den Keller. Dabei aber die Verpflegung nicht vergessen!«
    Es dauerte nicht lange, bis allen klar war, dass es diesmal anders war. Dieser Angriff war nicht harmlos. Dieses Mal meinten es die Engländer ernst. Sie hörten die Flak ununterbrochen schießen. Die Bomber dröhnten direkt über ihnen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Bomben krachend explodierten. Nicht weit weg, wie sie alle gehofft hatten, sondern in der Nachbarschaft. Und dann dieses Heulen, das man nur hörte, wenn die Bombe direkt auf einen zuflog. Die Explosion ließ die Wände des Kellers erzittern. Zwanzig Sekunden später noch eine zweite Bombe. Wieder wackelten die Wände. Danach trat Stille ein. Niemand sagte etwas. Alle lauschten, wagten kaum zu atmen, um das geringste Geräusch von draußen wahrnehmen zu können. Sie warteten zehn Minuten, dann verließen sie den Keller. Daut ging mit Balz und einigen weiteren Männern nach draußen.
    »Verdammt«.
    Daut blickte nach oben. An einer Ecke brannte der Dachstuhl. Er übernahm sofort das Kommando und wies Balz an, die Leiter zu holen, die an einem Schuppen an der Einfahrt stand. Kaum lehnte sie an der Hauswand, kletterte Daut aufs Dach. Oben angekommen, sah er, dass die Nachbarvilla vollständig in

Weitere Kostenlose Bücher