Der Aufbewarier (German Edition)
finden?«
»Na ja, Herr Wachtmeister, seine Frau war ja schon einige Jahre tot, da ist es doch wohl normal, wenn ein Mann sich nach einer anderen Frau umsieht. Er hat mir ja auch schöne Augen gemacht. Aber er ist nun einmal gar nicht mein Typ.«
Der Augenaufschlag, mit dem sie Daut bedachte, stand dem von Carla bei ihrem ersten Treffen vor dem Kino in nichts nach.
Rösen dauerte die Befragung wie so oft zu lange. Er wollte zum Punkt kommen.
»Hat August Quint auch Martha Grahn den Hof gemacht?«
»Aber nicht doch. Er ist doch Parteimitglied, und die Grahn war Jüdin.«
»Da sind Sie sich ganz sicher?«
Die Sekretärin presste die Lippen zusammen, entschloss sich dann aber doch, noch etwas zu sagen.
»Wählerisch ist er nicht gerade, der Kollege Quint. Er rennt so ziemlich jedem Weiberrock hinter. Am besten fragen Sie mal den Ingenieur Gümpel, die beiden sind dicke Kumpel.«
Auf dem Weg zum Konstruktionsbüro konnte Rösen es nicht lassen, Daut aufzuziehen.
»Du hast ja einen richtigen Schlag bei der Kleinen. Unglaublich, was so eine Uniform doch ausmacht.«
»Lass mich mit dem Quatsch in Ruhe. Außerdem sind dir doch fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie in Krucks Büro stolzierte.«
»Hat ja auch prachtvolle Beine, das Fräulein. Und wann sieht man schon echte Nylons?«
Stimmt, dachte Daut. Das war der dritte Verstoß gegen die moralinsauren Regeln für anständige deutsche Frauen. Die Klinger traute sich was.
Arthur Gümpel begrüßte die Polizisten äußerst unfreundlich.
»Sie waren es doch, die in die Hochzeitsfeier von Augusts Tochter reingeplatzt sind. Eine Unverschämtheit war das.«
»Sie sind uns gleich wieder los, wenn Sie uns erzählen, was Sie über das Verhältnis von August Quint zu Martha Grahn wissen.«
»Was soll das? Welches Verhältnis?«
Obwohl er laut und aufbrausend antwortete, sah Daut Unsicherheit, vielleicht sogar Angst in seinem Blick. Er legte jedes Wort auf die Goldwaage, und nach fünf Minuten und der Androhung, ins Polizeipräsidium vorgeladen zu werden, kam er zu dem Schluss, dass es besser sei, die Wahrheit zu sagen.
»Ich habe August immer gewarnt und ihn angefleht, das Verhältnis mit der Jüdin zu beenden. Mit Rassenschande ist nicht zu spaßen. Aber er war verrückt nach der Frau. Und sie war ja auch ein attraktives Ding.«
»Gab es denn in der letzten Zeit Streit zwischen Ihrem Freund und Martha Grahn?«
Daut hatte die Frage fast nebenbei gestellt, als wäre sie ohne jede Bedeutung. Gümpel reagierte trotzdem heftig.
»Niemals. Die Grahn war doch froh, einen Beschützer zu haben. Ihr Mann trieb sich doch mit einer anderen rum.«
Rösen hakte noch einmal nach.
»Es gab also nie ein böses Wort zwischen August Quint und Martha Grahn.«
»Das sage ich doch. Nur zwischen August und Werner Grahn gab es vor einer Woche eine Auseinandersetzung. Der Grahn muss ihn nach der Arbeit abgepasst haben. Ich weiß nicht, worum es überhaupt ging, aber August war danach ziemlich durch den Wind.«
Daut und Rösen stiegen zufrieden in den P 4, den sie am Fabrikeingang abgestellt hatten.
»Endlich kommt Bewegung in die Sache«, resümierte Daut.
»Du sagst es. Auf jeden Fall müssen wir jetzt weiter Druck machen. Als Erstes sollten wir mal Werner Grahn auf den Zahn fühlen. Der Typ gefällt mir immer weniger.«
Einunddreißig
In der Rosenstraße herrschte eine eigenartige Stimmung. Bis vor einer Stunde patrouillierten immer zwei, meistens sogar vier Polizisten in der Straße. Jetzt waren sie abgezogen. Nur ein einziger SS-Mann stand vor der Eingangstür. Seine Haltung war abweisend, einige Frauen nannten sie feindselig. Sprach ihn eine Frau an, befahl er ihr barsch, zurückzutreten, auf ein Gespräch ließ er sich nicht ein. Das war in den vergangenen Tagen anders gewesen, als die Wachhabenden Nachrichten ins Haus brachten und mit Botschaften der Inhaftierten zurückkamen. Was ging hier vor? Unter den Frauen machte sich die Besorgnis breit, es könne die Ruhe vor dem Sturm sein. Kam wieder ein Trupp mit Maschinengewehren? Würden sie diesmal schießen? Carla weigerte sich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Deutsche Soldaten, die auf ihre Landsleute schießen? Niemals! Andere waren da nicht so sicher. Einige Frauen schrien ihre Angst und Wut heraus.
»Wir lassen uns nicht vertreiben, komme, was da wolle.«
Die Stimmung heizte sich immer mehr auf. Gerüchte machten die Runde. Angeblich sollten alle Männer des Sammellagers
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