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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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einmal ein Wunder geschehen« ertönte, träumte sich Daut in die Arme einer Frau. Zum ersten Mal war er sich allerdings nicht sicher, ob es Luises Armes waren.

Mittwoch, 3. März 1943
    Dreißig
     
     
    Daut hatte verschlafen. Es wurde langsam zur Gewohnheit, dass ihn ein Kollege aus dem Bett holen musste. Diesmal war es Rösen. Daut hatte einen gehörigen Kater. Er war Alkohol nicht mehr gewohnt. Früher war das anders. Da hatte er mit Rösen bis weit nach Mitternacht im Rübezahl gezecht. Legendäre Saufgelage waren das gewesen. Luise hatte sich sogar schon Sorgen gemacht wegen seiner Trinkerei. Seit er alleine lebte und als Wachtmeister seine Runden machen musste, fehlte ihm für ausgedehnte Kneipentouren das Geld. So trank er nur noch selten, allenfalls abends einen Schluck Schnaps zur Verdauung. Wenn er allerdings an die letzten Tage dachte ... Irgendwie musste man sich das Grauen halt erträglich machen.
    Rösen erkannte sofort, was mit ihm los war. Daut war ihm dankbar, dass er auf hämische Kommentare verzichtete und ihm die Zeit gab, sich im Bad frisch zu machen.
     
    Die Fahrt zum OSRAM-Werk verbrachten sie weitgehend schweigend. Der Anblick der vielen zerstörten Gebäude war nach wie vor irreal und verstörend. Immer noch stand an vielen Straßenrändern der Hausrat der Ausgebombten, nur notdürftig vor Regen und Kälte geschützt. Wo sollten nur all die Menschen untergebracht werden. 20.000 Wohnungen waren zerstört oder beschädigt. Die meisten würden in absehbarer Zeit nicht bewohnbar sein. Berlin drohte eine dramatische Wohnungsnot. Daut war sich sicher, dass auch die Witwe Engelmann mit einer Einquartierung rechnen musste.
     
    Bei OSRAM angekommen, gingen sie direkt zur Personalabteilung. Helene Klinger saß hinter ihrem Schreibtisch und versuchte mit einer Rasierklinge, einen Tippfehler von einem in die Schreibmaschine gespannten Blatt zu entfernen. Sie war so konzentriert, dass sie die Polizisten nicht bemerkte. Rösen räusperte sich, und die Sekretärin fuhr ruckartig auf. Dabei verrückte sie den Wagen der Schreibmaschine um einen oder zwei Zentimeter.
    »Verflixt und zugenäht, jetzt kann ich diesen Brief noch einmal schreiben.«
    »Tut mir leid, Fräulein Klinger, aber wir haben angeklopft.«
    Daut sah, wie sie errötete. Eine deutsche Frau fluchte nicht. Daran schien sie sich eher halten zu wollen als an andere Gebote der Tugendwächter. Der Lippenstift schien Daut noch etwas kräftiger aufgetragen zu sein als bei ihrem letzten Besuch. Und waren die Wimpern nicht sogar getuscht?
    Rösen hatte keinen Blick für diese Feinheiten, sondern bat darum, Herrn Kruck gemeldet zu werden.
    »Tut mir leid, der Chef ist nicht da.«
    Helene Klinger rückte den Stuhl etwas vom Tisch ab und strich, den Blick gesenkt, ihren Rock glatt. Schon wieder ein Verstoß gegen neudeutsche Sitten, dachte Daut, als er mit Wohlgefallen registrierte, dass der Rock ein paar Zentimeter kürzer war, als es den Moralpredigern gefiel. Als hätte die Klinger seine Gedanken gelesen, rückte sie wieder an den Schreibtisch heran und entzog ihre Beine Dauts Blicken.
    »Krucks sind ausgebombt. Das Haus ist völlig zerstört. Ich glaube nicht, dass er in den nächsten Tagen zur Arbeit kommen wird. Er muss sich erst einmal darum kümmern, für seine Familie eine neue Bleibe zu finden.«
    Daut deutete auf einen freien Stuhl neben dem Schreibtisch.
    »Darf ich?«
    »Natürlich. Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit.«
    Sie zeigte auf einen weiteren Stuhl an der Wand, und Rösen setzte sich vor den Tisch. Daut rückte ein wenig näher an die Sekretärin heran, die ihn erstaunt, aber keineswegs entrüstet ansah.
    »Als rechte Hand des Personalchefs wissen Sie doch bestimmt viel über die Leute hier in der Firma. Was ist der Quint denn so für ein Typ?«
    Man sah Helen Klinger an, dass die Frage sie irritierte. Sie dachte einen Moment nach, ehe sie ruhig und überlegt antwortete.
    »Er ist ein guter Vater. Es ist ja weiß Gott nicht leicht gewesen, die Tochter als Witwer alleine großzuziehen.«
    Daut holte das Päcken Ernte 23 aus der Jackentasche und sah Fräulein Klinger fragend an.
    »Ist Rauchen hier erlaubt?«
    »Selbstverständlich, ich hole Ihnen einen Aschenbecher.«
    Sie ging in Krucks Büro und kam Sekunden später mit einem Ungetüm aus Kristallglas zurück. Daut registrierte mit einem Lächeln, dass jetzt auch Rösen ihre Beine bewunderte.
    »Hat Ihr Kollege Quint denn keine Anstalten gemacht, eine neue Frau zu

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