Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
Verbrennungen an Philips Stirn und Arm reinigte und verband. Es war besser, nicht zuviel von dem herzumachen, was der Junge getan hatte. Emma würde das später schon zur Genüge tun, und seine Mutter würde es von ihr am meisten schätzen.
Emma selbst sagte beinahe nichts, isoliert in ihrer Erschöpfung, aber ihr Blick wich selten von Philip. Und wenn, so geschah es, um mit Erleichterung und Zufriedenheit das solide, dunkle Mobiliar und die holzverkleideten Wände dieses Bürgerhauses zu betrachten, ein Anblick, der ihr so vertraut war, daß ihr die Aufnahme hier wie eine Heimkehr erschien. Ihr versunkenes kleines Lächeln war beredt.
Müttern entgehen solche Blicke nicht. Emma hatte ihr Herz bereits erobert, als sie freundlich zu dem Bett geleitet wurde, das für sie bereitstand, dort von Frau Corviser mit der Fürsorglichkeit einer Glucke zur Ruhe gebettet und mit einem heißen Würzgetränk traktiert wurde. Diesem hatte Bruder Cadfael etwas von seinem Mohnsirup beigefügt, um sicherzugehen, daß sie schlafen und ihre Schmerzen vergessen würde.
»Ein hübsches Ding, das muß ich sagen«, erklärte Frau Corviser, nachdem sie leise ins Zimmer zurückgekehrt war und die Verbindungstür geschlossen hatte. Sie warf einen liebevollen Blick zu ihrem Sohn und sah, daß er auf seinem Stuhl eingeschlafen war.
»Und wenn ich bedenke, was er wirklich getan hat, während ich, die ihn besser hätte kennen sollen, ihm alle möglichen Schlechtigkeiten zutraute!«
»Er kennt sich selbst sehr viel besser als noch vor ein paar Tagen«, meinte Cadfael, als er seine Tasche wieder packte. »Ich werde Euch diese Salbe dalassen, Ihr wißt, wie sie angewendet wird. Morgen nachmittag werde ich noch einmal kommen und mir die Hand ansehen. Aber nun will ich mich verabschieden. Ich bekenne, daß ich mehr als reif für mein eigenes Bett bin, und ich zweifle schon jetzt, ob ich morgen die Glocke zur Prime hören werde.«
Im Hof hinter der Werkstatt versorgte Geoffrey Corviser eigenhändig das Pferd aus Stanton Cobbold, dem er neben seinem eigenen einen Platz im Stall frei gemacht hatte. Cadfael richtete ihm die Botschaft des Abtes aus. Der Bürgermeister hob skeptisch die Brauen. »Nun, was kann der Hochwürdigste Herr von mir wollen? Als ich letztes Mal mit der Kappe in der Hand zum Kapitelsaal kam, erhielt ich eine harte Antwort.«
»Gleichwohl«, erwiderte Cadfael und rieb sich gedankenvoll die stumpfe braune Nase, »steckte ich in Euren Schuhen, ich glaube, ich wäre neugierig genug, um hinzugehen.«
Es war kein Wunder, daß Bruder Cadfael, obwohl es ihm gelang, zur Prime aufzustehen, seinen sorgfältig gewählten Platz hinter der Säule des Kapitelsaales für die Dauer der Andacht zu einem Nickerchen nutzte. Tatsächlich schlief er so fest, daß er ausnahmsweise Gefahr lief, laut zu schnarchen. Beim ersten melodischen Hornsignal bekam Bruder Mark es mit der Angst zu tun und weckte ihn mit einem Rippenstoß.
Der Bürgermeister hatte der Einladung des Abtes Folge geleistet und fand sich am Ende der Andacht im Kloster ein. Der Verwalter des Meierhofes hatte gerade gemeldet, daß er anwesend wäre, als Cadfael die Augen aufschlug.
»Wozu kann der Bürgermeister hier sein?« wisperte Mark.
»Was weiß ich? Er wurde aufgefordert, um diese Zeit zu kommen.
Still!«
Geoffrey Corviser kam in seinem Sonntagsstaat und erwies dem Abt respektvoll, aber kühl seine Ehrerbietung. Diesmal hatte er keine festgefügte Kohorte im Rücken, und um die Wahrheit zu sagen, maß er dieser Begegnung sehr wenig Bedeutung bei, wenngleich er ein wenig neugierig war. Seine Gedanken waren mit anderen Dingen beschäftigt. Gewiß, die Probleme der Stadt blieben ungelöst und hätten zu jeder anderen Zeit im Vordergrund seiner Sorge gestanden.
Aber heute war er unempfindlich gegen die Schwierigkeiten der Gemeinde, weil ihn ein mächtiger Stolz auf seinen rehabilitierten und allseits gelobten Sohn erfüllte.
»Ihr habt mich hergebeten, Hochwürdigster Herr Abt. Ich bin hier.«
»Ich danke Euch für Euer freundliches Entgegenkommen«, erwiderte der Abt. »Vor einigen Tagen, Bürgermeister, vor dem Jahrmarkt, tratet Ihr hier mit einem Ersuchen vor mich hin, dem ich nicht entsprechen konnte.«
Der Bürgermeister sagte nichts und wartete ab.
»Nun ist der Jahrmarkt zu Ende gegangen«, fuhr der Abt fort. »Alle Mieten, Zölle und Gebühren sind eingesammelt und in die Schatzkammer der Abtei gebracht worden, wie es in der Verleihungsurkunde gefordert wird.
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