Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
wird zur rechten Zeit heimkommen und erstaunt sein, weil Ihr Euch wegen seines Ausbleibens gesorgt habt.«
Sie wollte das gern glauben, aber ihre Augen verriet en, daß ihre Zweifel nicht geschwunden waren. »Ich hoffte, er würde Euch wieder begegnet sein oder Ihr hättet ihn wenigstens von weitem gesehen.«
»Ich wünschte, es wäre so«, erwiderte er. »Und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich Euch beruhigen könnte. Aber ich habe ihn nicht gesehen.«
»Ich denke«, mischte sich Beringar ein, »ich bin jetzt für den Fall verantwortlich. Meine Leute werden Meister Thomas suchen. Es ist jedoch spät, und unterdessen solltet Ihr nicht in der Nacht umherwandern, liebes Fräulein. Es wird am besten sein, wenn Euer Diener zur Barke zurückkehrt, während Ihr, wenn Ihr einwilligt, Euch hier im Gästehaus zu meiner Frau gesellen könnt. Ihre Magd Constance wird Euch Platz machen und sorgen, daß Ihr bekommt, was Ihr für die Nacht benötigt.« Es war nicht festzustellen, ob er ihre Angst vor der Rückkehr zur Barke so deutlich gespürt hatte wie Cadfael, oder ob er sie einfach in die nächstbeste sichere Obhut geben wollte. Aber ihre Miene hellte sich so rasch auf, und sie dankte ihm so überschwenglich, daß ihre Erleichterung unverkennbar war.
»Dann kommt«, forderte er sie freundlich auf. »Ich werde Euch zu Constance begleiten, und anschließend könnt Ihr die Suche nach Eurem Onkel uns überlassen.«
»Und ich«, verkündete Corbiere, der voll Tatendrang in die Ärmel seines Überwurfs schlüpfte, »werde Euch bei der Suche helfen, wenn Ihr mich dabeihaben wollt.«
Sie durchkämmten die an der Klosterfront vorüberführende Straße in ihrer ganzen Länge - Beringar mit seinen sechs Wachsoldaten, Ivo Corbiere, der sich so wach und energisch zeigte, als ob es Mittag wäre, und Bruder Cadfael, der keine legitime Ursache hatte, mit ihnen zu gehen. Aber er wurde von der Neugierde gejuckt und fand es überdies absurd, zu solch später Stunde schlafen zu gehen, da er um Mitternacht in jedem Fall zur Matutin wieder aufstehen mußte. Wenn dieser Vorwand genügte, um mit Beringar zu trinken, dann war er erst recht hinreichend für eine Teilnahme an der Suche nach Thomas von Bristol. Denn es ist wahr, dachte Cadfael bei sich und schüttelte den Kopf über die Ereignisse des Abends, ich werde nicht eher ruhig sein, als bis ich dieses fleischige Gesicht wiedersehe und diese laute, selbstbewußte Stimme höre. Corbiere mochte das Ausbleiben des Kaufmannes als eine unbedeutende Abweichung von seinen sonstigen Gewohnheiten abtun, wie sie dann und wann bei jedem vorkommt, und an jedem anderen Tag hätte Cadfael ihm zugestimmt.
Doch zuviel war seit der Mittagszeit geschehen, zu viele Leute hatten sich zu empörenden und uncharakteristischen Handlungen hinreißen lassen, zu viele Leidenschaften waren entfacht worden, als daß dieser Tag ein gewöhnlicher genannt werden konnte. Möglicherweise war jemand so weit von seinem gewohnten Verhalten abgewichen, daß er im Schütze der Dunkelheit heimlich gerächt hatte, was am Tag offen und impulsiv geschehen war. Doch Gott behüte!
Als erstes vergewisserten sie sich, daß an der Anlegestelle noch immer keine Nachricht eingetroffen war. Nein, der Kaufmann war weder erschienen, noch hatte er Nachricht geschickt, und Roger Dods Umfragen bei den anderen Händlern am Fluß, so weit er sich von dem Eigentum, das er bewachte, zu entfernen gewagt hatte, waren gleichfalls ohne Ergebnis geblieben.
Er war ein stämmiger, muskulöser Mann von ungefähr dreißig Jahren, dieser Roger Dod, und man hätte ihn als eine sehr ansehnliche und gewinnende Person bezeichnet, wäre er in seinem Benehmen weniger kurz angebunden und verschlossen gewesen.
Ohne Zweifel machte auch er sich Sorgen. Wortkarg beantwortete er Hugh Beringars Fragen und nagte unsicher auf der Unterlippe, als er erfuhr, daß seines Meisters Nichte nun im Gästehaus der Abtei Quartier genommen hatte. Er wäre mit ihnen gekommen, um bei der Suche zu helfen, trug aber die Verantwortung für die Habseligkeiten seines Herrn und würde zur Rechenschaft gezogen, wenn der Kaufmann zurückkäme und seine Waren unbewacht vorfände. So blieb er bei der Barke und beauftragte den stummen und schläfrigverdrießlichen Gregory, den Suchtrupp zu dem Marktstand zu führen, den Meister Thomas von Bristol gemietet hatte. Beringars Wachtmeister blieb mit drei Männern zurück, um alle noch wachenden Mieter der Marktstände entlang der
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