Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
sind.«
»Das ist auch in meinem Sinne.« Abt Radulfus lächelte beinahe. Er musterte Cadfael mit einem langen Blick. »Geh und lege Zeugnis ab, Bruder, wie es von dir verlangt wird, und bring mir Nachricht. In deine Meldung werde ich mein Vertrauen setzen.«
Emma trug gezwungenermaßen dasselbe Gewand und dieselbe Schürze wie am Abend zuvor - das Kleid so dunkelblau wie ihre Augen, die Schürze aus gebleichtem Leinen und farbig bestickt. Das einzige Zugeständnis, das sie an die Trauer machen konnte, war ein geliehenes schwarzes Kopftuch, unter dem sie ihre dicken hochgesteckten Zöpfe verbarg. Gleichwohl strahlte sie edle Würde aus. Durch das Kopftuch gewann ihr gerundetes, jugendliches Gesicht an konzentrierter Eigenwilligkeit und Bedeutung, was es an mädchenhafter Anmut verlor. Ihr Antlitz zeigte einen Ausdruck entschlossener Ernsthaftigkeit, wie eine Waffe im Ruhestand. Bruder Cadfael konnte noch nicht klar erkennen, worauf diese Waffe zielen würde.
Als sie ihn kommen sah, glänzte erfreutes Wiedererkennen in ihren Augen, und sie glich einem Krieger, der vor der Schlacht hinter einer imaginären Lanze in die Gesichter der ihn umgebenden Gefährten schaute. Aber der Brennpunkt ihres inneren Vorhabens verlagerte sich keine Sekunde lang und zielte in eine Richtung, der er nicht folgen konnte.
»Bruder Cadfael -- habe ich Euren Namen recht verstanden? Er ist walisisch, nicht wahr? Ihr seid gestern sehr gütig gewesen. Aline Beringar sagt, Ihr werdet mir zeigen, wo ich den Zimmerermeister finde. Ich muß den Sarg für meinen Onkel bestellen, für die Reise nach Bristol.« Sie war gefaßt, dabei einfach und direkt wie ein Kind.
»Haben Sie Zeit, bevor wir zur Burg gehen müssen?«
»Die Werkstatt liegt am Weg«, antwortete Cadfael. »Ihr braucht Martin Bellecote nur Euer Anliegen vorzutragen, er wird dafür sorgen, daß Eure Wünsche erfüllt werden.«
»Alle sind sehr freundlich zu mir«, sagte sie höflich, wie ein guterzogenes kleines Mädchen. »Wo ist der Leichnam meines Onkels jetzt? Ich sollte mich selbst um ihn kümmern, es ist meine Pflicht.«
»Das könnt Ihr noch nicht«, erwiderte Cadfael. »Der Grafschaftsbeamte hat ihn in der Burg, er muß den Leichnam selbst in Augenschein nehmen und vom Arzt untersuchen lassen. Ihr braucht Euch deshalb nicht zu beunruhigen, der Abt hat genaue Anweisungen gegeben. Euer Onkel wird mit allen Ehren zur Klosterkirche gebracht und dort in einer Kapelle aufgebahrt, und die Brüder werden ihn mit dem Totenhemd bekleiden und für ihn beten. Ich glaube, es wäre sein Wunsch, könnte er Euch jetzt sprechen, daß Ihr alles uns überlassen solltet. Seine Fürsorge für Euch würde soweit reichen, und Euer Gehorsam könnte es ihm nicht gut verweigern.«
Er hatte den Toten gesehen und sich dafür eingesetzt, ihr diesen Anblick zu ersparen. Der Mann, den sie als Lebenden in seiner monumentalen Würde respektiert und bewundert hatte, sollte geradeso in ihrer Erinnerung bewahrt bleiben. Dies war sein gutes Recht.
Cadfael hatte das einzige Argument gefunden, das sie von ihrem Entschluß, alles in die Hände zu nehmen und nichts zu unterlassen, abbringen konnte. Sie dachte ernsthaft darüber nach, als sie nebeneinander zum Torhaus hinausgingen, und er sah es ihrem Gesicht im selben Augenblick an, wo sie sich seiner Meinung anschloß.
»Aber er glaubte, daß ich meinen Teil übernehmen sollte, auch in seinem Geschäft. Er wünschte, daß ich mit ihm reise und den Handel erlerne, wie er ihn kannte. Dies ist schon die dritte Reise, die ich mit ihm unternommen habe.« Das erinnerte sie daran, daß es auc h die letzte war.
»Wenigstens«, fuhr sie zögernd fort, »darf ich Geld ausgeben, um Messen für ihn lesen zu lassen - hier, wo er gestorben ist, nicht wahr?
Er war ein sehr frommer Mann, ich denke, das würde ihm gefallen.«
Nun, ihre Geldreserven mochten jetzt viel länger reichen als ihr schmaler Vorrat an Seelenfrieden. Sie konnte es sich leisten, ein wenig Trost zu kaufen, und Gebete sind niemals verschwendet.
»Das sollt Ihr selbstverständlich tun. Der Herr wird die Fürbitte für seinen dahingegangenen Diener wohlwollend aufnehmen.«
»Er starb ohne den Empfang der Heiligen Sterbesakramente.«
Plötzlich stieg heftiger Zorn gegen den Mörder in Emma auf, der ihrem Onkel Beichte und Absolution vorenthalten hatte.
»Nicht durch sein Verschulden. Vielen ergeht es so. Auch Heilige erlitten den Märtyrertod, ohne die Absolution zu erlangen. Gott kennt das Leben
Weitere Kostenlose Bücher