Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
seiner Diener auch ohne das Wort und die Reue über ein unvollkommenes Leben. Es ist der Wunsch des Todgeweihten, durch die Beichte Absolution zu erlangen. Die ins Jenseits hinübergegangene Seele weiß, daß die Ängste des Sterbenden unnötiger Eitelkeit gleichen. Wahre Reue ist im Herzen, nicht in gesprochenen Worten.«
Sie erreichten die Landstraße und bogen nach links zu den funkelnden Reflexen des Flusses zwischen seinen grünen, üppig bewachsenen Ufern und der steinernen Brücke, die hinüber und durch den Zugbrückenturm zum Stadttor führte. Emma hatte den Kopf gehoben und schaute Bruder Cadfael über die Schulter hinweg an, und eine leichte Farbe belebte ihre blassen Wangen, ein Glanz wie ein Lichtschimmer vom Fluß lag in ihren Augen. Er hatte sie bisher nicht lächeln sehen, und auch jetzt war es ein sehr schwaches Lächeln, aber darum nicht weniger schön.
»Er war ein guter Mensch, Bruder Cadfael«, sagte sie ernst.
»Freilich sprang er mit Dummköpfen oder schlechten Arbeitern oder Leuten, die ihn betrügen wollten, unsanft um, aber er war ein guter Mensch in seinem Herzen. Gut zu mir! Er hielt seine Abmachungen und Versprechungen, und er war seinem Herrn treu...«
Bei aller Sanftheit des Tones und der Einfachheit ihrer Fürsprache hatten die Worte ihre Fantasie angeregt. Es war beinahe so, als wollte sie sagen: ›Treu bis in den Tod!‹ Und ihr Gesicht nahm jenen hochgemuten, heroischen Ausdruck an, über den man nicht lachen darf, auch nicht, wenn er sich im Gesicht eines Kindes zeigt.
»Dies alles«, entgegnete Cadfael aufmunternd, »ist Gott bekannt, und man braucht es ihm nicht zu sagen. Vergeßt nicht, daß Ihr Euer Leben noch vor Euch habt und daß es im Sinne Eures Onkels wäre, wenn Ihr ihm würdet Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem Ihr selbst stets nach Gerechtigkeit strebt.«
»O ja!« Zum ersten Mal legte sie die Hand zutraulich auf seinen Arm. »Das möchte ich! Daran liegt mir am meisten!«
2. Kapitel
In Martin Bellecotes Werkstatt, abseits von der Biegung der ansteigenden Straße, die Wyle genannt wurde und zum Mittelpunkt der Stadt führte, zeigte sich bald, daß Emma genau wußte, was sie für ihren Toten wollte. Sie beschrieb es mit klaren Worten, und sie wußte eine entsprechende Geradlinigkeit und Rechtschaffenheit von Seiten des Zimmerermeisters zu würdigen. Gleichwohl hatte sie genügend Zeit, um sich durch das Eindringen seiner jüngeren Kinder, die Gefallen an ihr fanden und sich ihr mit neugierigen Blicken und unbefangenem Geplapper näherten, lächelnd ablenken zu lassen.
Was den straffälligen Edwy betraf, der nach Hugh Beringars Gardinenpredigt nach Hause geschickt worden war, so arbeitete er jetzt kleinlaut in einem Winkel der Werkstatt mit dem Hobel. Doch er war nicht so gebrochen, daß er versäumt hätte, forschende Blicke seiner hellbraunen Augen zu dem Mädchen hinüberzuschicken und Bruder Cadfael sogar frech zuzuzwinkern, als Emma in die andere Richtung schaute.
Auf dem Weg durch die Stadt, die steile Straße zum Hochkreuz hinauf und dann zu der Rampe, die zum Burgtor hinaufführte, versank sie in einem nachdenklichen Schweigen, um ihre Erinnerungen an die Vorfälle des vergangenen Tages zu ordnen. Als der Schatten des hohen Mauerbogens über dem Tor das Sonnenlicht abschnitt und auf ihr ernstes Gesicht fiel, erwachte sie aus ihrer Gedankenverlorenheit und machte große Augen. Aber das alltägliche Kommen und Gehen, von der Wache beaufsichtigt, gemahnte nicht länger an Belagerung und Kampf. Und die Stadtbewohner schienen sich nicht zu scheuen, ihre Fragen, Anliegen und Beschwerden dem Sachwalter des Königs vorzutragen. Dieser war ein willensstarker, wortkarger und fähiger Ritter, der das fünfzigste Jahr bereits hinter sich hatte und auf lange Erfahrungen in Krieg und Amt zurückblickte. Während er hart bis zur Grausamkeit sein konnte, wenn er Unruhen niederschlug, genoß er in alltäglichen Angelegenheiten den Ruf, gerecht zu sein. Hatte er den Bürgern der Stadt auch nicht viel Hilfe gewährt, die Zerstörung von Belagerung und Krieg zu beheben, so hatte er auch nicht gestattet, daß sie zur Wiederherstellung der Burg durch allzu harte Frondienste oder Steuern ausgebeutet wurden. Vom Inneren des geräumigen Burghofes konnte man sehen, daß ein Turm noch im Holzgerüst stand und eine Mauer durch Balken abgestützt war. Emma staunte.
Andere hatten das gleiche Ziel wie sie - besorgte Väter, die gekommen waren, ihre Söhne auszulösen, zwei
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