Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
der Stadt Shrewsbury«, pflichtete Aline ihr bei, »wovon Bruder Cadfael nichts weiß.«
Cadfael erhielt ohne weitere Umstände den Dispens des Abtes, um an der Untersuchung und Anhörung in der Burg teilzunehmen und den verwaisten Klostergast zu begleiten. Einer Bürgerpflicht durfte man nicht ausweichen, ob sie nun weltlicher oder kirchlicher Herrschaft galt. Radulfus hatte sich bereits als ein strenger, aber gerechter Ordensvorstand und als ebenso kluger wie willensstarker Verhandlungsführer erwiesen. Er verdankte seine Berufung zum Abt ebenso sehr dem König wie dem päpstlichen Legaten, und die Ordnung des Reiches lag ihm genauso sehr am Herzen wie das Gedeihen seines Klosters. Infolgedessen hatte er gute Verwendung für die wenigen unter den Klosterbrüdern, die seine reiche Erfahrung in der Welt außerhalb der Klostermauern teilten.
»Dieser Todesfall«, sagte er nach Beringars Weggang zu Cadfael, den er zu einer vertraulichen Unterredung gebeten hatte, »wirft einen Schatten auf unser Haus und unseren Jahrmarkt. Eine solche Bürde kann nicht auf andere Schultern abgewälzt werden. Ich brauche einen vollständigen Bericht über diese Verhandlung. Ich war es, den die Ältesten der Stadt um Erleichterung baten, die ich nicht zugestehen konnte. Auf mir ruht die Last der Erbitterung, welche diese jungen Männer zu törichten Handlungen trieb. Es fehlte ihnen an Geduld und Besonnenheit, und sie sind schuldig geworden, aber das kann mich nicht lossprechen. Wenn der Tod des Mannes durch meine Handlungsweise verursacht wurde, selbst wenn ich mich nicht anders verhalten konnte, muß ich es wissen. Denn ich habe mich vor dem Herrn dafür zu verantworten, ebenso wie der Mann, der ihn niederstach.«
»Ich werde Euch alles mitteilen, was ich erfahre, Ehrwürdiger Vater«, versprach Cadfael.
»Ich muß auch wissen, was du denkst, Bruder. Du warst gestern zugegen, als es zwischen dem getöteten Händler und dem jungen Mann zum Streit kam. Ist es möglich, daß diese Auseinandersetzung zu einem Mord führte? In den Rücken gestochen? Das ist gewöhnlich nicht die Methode des Jähzorns.«
»Gewöhnlich nicht.« Cadfael hatte viele in der Hitze des Gefechts fallen sehen, aber er wußte auch von Zorngefühlen, die zu schwärendem Haß geworden waren und zu heimlichem Mord geführt hatten. »Doch es ist denkbar. Gleichwohl gibt es andere Möglichkeiten. Es könnte sich in der Tat so abgespielt haben, wie es zunächst den Anschein hat: Man stach Thomas von Bristol grausam nieder, um seine Kleider und seine Ringe, vielleicht auch den Geldbeutel zu erbeuten, eine günstige Gelegenheit zu nächtlichem Raub, ohne Zeugen weit und breit. Solche Dinge kommen des öfteren vor, wo Menschen zusammentreffen und Geld den Besitzer wechselt.«
»Du hast recht«, sagte Radulfus traurig. »Das alte Übel ist immer mit uns.«
»Auch bleibt zu bedenken, daß der Mann in seinem Gewerbe und dort, woher er kommt, von großer Bedeutung ist und Feinde haben mag. Haß, Neid, Rivalität sind Beweggründe, die der Gewinnsucht nicht nachstehen. Und auf einem großen Jahrmarkt wie dem unsrigen kann es leicht geschehen, daß Feinde zusammentreffen, weit von den Städten, wo ihre Streitigkeiten bekannt sind und ihre Handlungen allzu leicht zu erraten wären. Mord ist fern der Heimat leichter und verlockender.«
»Auch das ist wahr«, sagte der Abt. »Gibt es noch etwas zu besprechen?«
»Jawohl - das Schicksal des Mädchens, der Nichte und Erbin des Toten. Sie ist sehr schön«, erklärte Cadfael unumwunden, denn er fühlte sich auch als Mönch berechtigt, die Schönheit von Frauen zu erkennen und zu würdigen, selbst wenn er den Liebesfreuden entsagt hatte, »und im Dienst ihres Onkels stehen drei Männer, die mit ihr an Bord einer Flußbarke leben. Nur einer von ihnen ist alt genug, wie es scheint, um seinen Frieden und seine Ruhe höher zu schätzen. Ein weiterer ist, wie ich glaube, einer von Gottes Armen im Geiste, doch deswegen nicht blind oder frei von Anfechtungen des Fleisches. Und der dritte ist ein tüchtiger, ansehnlicher und energischer Mann, der weiß, was er will, und dieser ist ihr verfallen. Derselbe Mann war es, der seinem Meister vom Marktstand folgte, einige sagen, eine Viertelstunde später, andere sagen, noch etwas danach. Gott verhüte, daß ich darum mit dem Finger auf einen ehrlichen Mann zeige, aber wir sprechen von Möglichkeiten. Und ich werde sie nicht mehr erwähnen, bis sie mehr als Möglichkeiten geworden
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