Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
getötet, sei in einem Angriff, der nur verletzen sollte, vielleicht zu weit gegangen. Da mag er klug genug sein, sein Opfer zu entkleiden, um den Anschein zu erwecken, es sei das Werk gewöhnlicher Strauchdiebe und Räuber gewesen, wodurch er die Aufmerksamkeit von sich selbst ablenkt. In diesem Fall ist noch viel Arbeit zu tun, aber einstweilen muß Corviser in Gewahrsam bleiben.
Ich würde mich der Pflichtverletzung schuldig machen, wenn ich ihn auf freien Fuß setzte, selbst wenn er in Eure Obhut käme, Bürgermeister.«
Philip Corviser zeigte sich begriffsstutzig, bis ihm das stumpfe Ende einer Lanze nicht allzu sanft in die Rippen gestoßen wurde. Dann blickte er über die Schulter zurück, und sein Blick klammerte sich verzweifelt an Emmas bekümmertes und zweifelndes Gesicht. »Ich habe es nicht getan«, sagte er, gewaltsam durch die Halle zur Tür gestoßen. »Ich bitte Euch, glaubt mir!« Dann war er draußen, und die Untersuchung war beendet.
Auf dem Burghof machten sie halt, um dankbar Atem zu holen, befreit von der düsteren Bedrückung der Halle. Roger Dod blieb in ihrer Nähe und beäugte Emma.
»Fräulein, soll ich Euch zur Barke zurückbegleiten oder gleich zum Marktstand gehen? Gregory ist dort, um Warin zu helfen, während ich abwesend sein mußte, aber das Geschäft ging lebhaft. Die beiden werden jetzt hart bedrängt sein. Wollt Ihr immer noch, daß wir die Waren verkaufen, wie es Euer Onkel getan hätte?«
»So ist es«, bestätigte sie. »Wir wollen in seinem Sinne verfahren.
Du gehst zurück zum Pferdemarkt, Roger. Ich werde einstweilen im Gästehaus des Klosters bleiben, und Bruder Cadfael wird mich begleiten.«
Der Knecht machte eine mürrische Verbeugung und ging, ohne sich noch einmal umzusehen. Aber seine bloße Rückenansicht, stämmig, aufrecht und wachsam, rief die Intensität seines dunklen Gesichts und die brennenden, bitteren Augen ins Gedächtnis. Emma sah ihm nach und seufzte hilflos.
»Ich weiß, daß er ein guter Diener ist und meinem Onkel viele Jahre treu zur Seite gestanden hat. So würde er in seiner Art auch mir die Treue halten. Und ich achte ihn, ich muß ihn achten! Ich denke, ich könnte ihn sogar mögen - wenn er nur nicht wollte, daß ich ihn liebe!«
»Das ist kein neues Problem«, entgegnete Cadfael mitfühlend.
»Der Blitz schlägt ein, wo er will. Hier entfacht er ein Feuer, dort bleibt es kalt. Entfernung ist das einzige Heilmittel.«
»Das meine ich auch«, sagte Emma dankbar. »Bruder Cadfael, ich muß zur Barke, um Kleider und Dinge zu holen, die ich noch brauche.
Werdet Ihr mit mir gehen?«
Er verstand sofort, daß dies ein günstiger Zeitpunkt war. Warin und Gregory kümmerten sich um den Marktstand und Roger war unterwegs zu ihnen. Die Barke lag an der Landungsstelle, und niemand, der Emma beunruhigen könnte, hielt sich an Bord auf. Nur ein Mönch vom benachbarten Kloster, der niemandes Seelenfrieden in Gefahr brachte. »Wie Ihr wollt«, antwortete er. »Ich habe die Erlaubnis, Euch in allen Bedürftigkeiten zu unterstützen.«
Er hatte eher erwartet, daß Ivo Corbiere sich zu ihr gesellen würde, sobald sie aus der Halle auf den Burghof kämen, aber er tat es nicht.
Cadfael gewann den Eindruck, daß auch Emma es erwartet hatte.
Doch der junge Mann fand vielleicht, daß es sich kaum lohnen würde, ein Dreigespann mit der begehrten Dame und einem klösterlichen Begleiter zu bilden, der offensichtlich seinen Auftrag hatte und den Platz an ihrer Seite nicht räumen würde. Cadfael konnte diese Betrachtungsweise verstehen und bewunderte seine Diskretion und Geduld. Aber zwei Jahrmarktstage standen noch bevor, und der große Hof der Abtei war nicht so groß, daß die Gäste umhin konnten, einander mehrmals am Tag zu treffen, sei es zufällig oder durch Verabredung.
Auf dem Rückweg durch die Stadt war Emma sehr schweigsam, bis sie aus den Schatten des Torturmes wieder in den Sonnenschein hinaustraten, zu beiden Seiten das glitzernde Wasser des Flusses.
Dann sagte sie impulsiv: »Es war gut von Ivo, so vernünftig für den jungen Mann zu sprechen.« Und im selben Augenblick, als Cadfael ihr einen Seitenblick zuwarf, um zu ergründen, was hinter den Worten lag, errötete sie beinahe so tief wie der unglückliche junge Mann, als sie Zeugin seiner Schande geworden war.
»Ja, das war sehr vernünftig«, stimmte Cadfael liebenswürdig zu.
»Es mag einen Verdacht geben, aber keine Beweise, noch nicht. Und Ihr habt ihm ein Vorbild an Großzügigkeit
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