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Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt

Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt

Titel: Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Herr.«
    »Um welche Zeit war das?«
    »Nun, gnädiger Herr, ich stand noch fest auf meinen Füßen und hatte einen klaren Kopf, und das war später am Abend sicherlich nicht mehr der Fall. Es muß ungefähr zwischen acht und neun gewesen sein. Ich hätte mich freilich gut genug halten können, wäre ich nicht von Bier auf Wein übergegangen und dann zu einem starken Branntwein, und der war es, der mich niederwarf. Sonst wäre ich innerhalb der Klostermauern gewesen, ehe mein Herr heimkam, und hätte mir eine Nacht auf den Steinen erspart.«
    »Die war wohlverdient«, bemerkte Prestcote trocken. »Hat Er darauf geachtet, wann Er sich aus der Taverne schleppte, um seinen Rausch auszuschlafen?«
    »Nun, ungefähr um neun, denke ich, gnädiger Herr, und bald danach war ich untergegangen. Wahrhaftig, ich kann mich nicht erinnern, wo ich mich niederlegte, obwohl ich mich der Taverne klar entsinnen kann. Diejenigen, die mich fanden, werden Euch sagen können, wo es war.«
    An diesem Punkt wurde Bruder Cadfael auf einmal bewußt, daß in der bisherigen Vernehmung zur Sache Philip Corvisers der tote Meister Thomas unerwähnt geblieben war, der in diesem Augenblick in der Klosterkapelle lag. Gewiß hatte der Grafschaftsbeamte sich mitfühlend gegenüber Emma gezeigt und ihren frisch verwaisten Zustand durch angemessene Rücksichtsnahme gewürdigt, und die Abwesenheit ihres Onkels mochte an sich schon ein Hinweis sein.
    Doch im Hinblick auf die Bedeutung seiner Geschäfte und des Umstandes, daß Emma zumindest einmal von ihm in der Gegenwartsform gesprochen hatte, würde eine Person, die von seinem Tod nichts wußte, aus diesen Andeutungen kaum irgendwelche Folgerungen gezogen haben. Es sei denn, sie wäre außergewöhnlich wachsam. Und Philip hatte die Nacht in einem Kerker verbracht und war erst zu diesem Verhör herausgeholt worden. Überdies litt er noch unter den Nachwirkungen seines Rausches, der Kopfverletzung und seiner Enttäuschung über den Ausgang des so hochgemut begonnenen Unternehmens. Daher konnte angenommen werden, daß er nicht jede Andeutung, die er hörte, auch zu verarbeiten wußte. Niemand hatte ihm vorsätzlich eine Falle gelegt, doch die Falle war nichtsdestoweniger da, und es mochte aufschlußreich sein, sie zuschnappen zu lassen.
    »Diese Drohungen, die der Beklagte gegen Meister Thomas ausstieß«, sagte Prestcote, »können nur innerhalb einer Stunde oder weniger vor der Zeit gefallen sein, als der Handelsmann seinen Marktstand verließ, um allein zu seiner Barke zurückzugehen. Und das war die letzte Nachricht, die wir von ihm haben.«
    Das kam der Angelegenheit schon näher, aber nicht nahe genug.
    Philip Corvisers Miene war noch immer trotzig, resigniert und verwirrt, als hätten sie über seinen Kopf hinweg walisisch gesprochen. Bruder Cadfael beschloß einzugreifen. Es war höchste Zeit.
    »Die letzte Nachricht, die wir von ihm als Lebenden haben«, sagte er mit Betonung.
    Die Worte wirkten wie ein Messer in der Brust eines Menschen, eins von der schmalen, dünnen Art, das im ersten Augenblick kaum zu spüren ist und dann die Verletzung und den Schmerz nach sich zieht. Philip Corviser hob ruckartig den Kopf, der Mund klappte auf, die blutunterlaufenen Augen starrten den Mönch in entsetztem Begreifen an.
    »Aber es ist zu bedenken«, fuhr Cadfael rasch fort, »daß wir seine Todesstunde nicht kennen. Ein aus dem Wasser gezogener Leichnam kann zu jeder Zeit während der Nacht hineingeworfen worden sein, nachdem alle Gefangenen im Kerker und alle ehrlichen Menschen im Bett lagen.«
    Es war vollbracht. Er hatte gehofft, dies würde die Frage von Schuld oder Unschuld klären, zumindest zu seiner Zufriedenheit. Aber nun war er noch immer im Zweifel, ob der junge Mann die Wahrheit nicht bereits gewußt hatte. Wie, wenn er nur still geblieben und den Zeugenaussagen gelauscht und überlegt hätte, ob Meister Thomas'
    Leichnam schon gefunden worden war? Freilich, wenn er bei diesem Mord die Hand mit im Spiel gehabt hatte, war er ein besserer Schauspieler als die reisenden Schausteller, die am Abend ihr Gewerbe vor den Jahrmarktsbesuchern ausüben würden. Seine teigige Blässe war noch auffallender als zuvor, er versuchte zu sprechen und schluckte halb geformte Worte hinunter, schnaufte angestrengt und riß die geröteten Augen auf, die angstvoll durch den Raum irrten und endlich am Grafschaftsbeamten hängenblieben. Auf den ersten Blick wirkte es überzeugend - aber jedes Gesicht ist der Verstellung

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