Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
draußen und war auf diese plötzliche Freilassung nicht vorbereitet. Hastig streifte er die Strohhalme von seinen Kleidern, denn nur zu schmerzlich war ihm bewußt, daß er keinen erfreulichen Anblick bieten würde, wenn er an der Seite des Bürgermeisters durch die Stadt ging. »Was bewirkte die Meinungsänderung? Ist ein anderer wegen des Mordes festgenommen worden?« Das würde ihn in Emmas Augen von jedem Verdacht reinigen, daran zweifelte er nicht.
»Welchen Mordes?« entgegnete sein Vater. »Aber das tut jetzt nichts zur Sache, du wirst draußen davon hören.«
»Ja, freilich, mach voran, Bursche«, sagte der gutmütige Kerkermeister und rasselte mit den Schlüsseln, »bevor sie es sich wieder anders überlegen. So wie es heuer auf dem Jahrmarkt zugeht, könnte es geschehen, daß die Tür wieder zugeschlagen wird, ehe du hinaus kannst.«
Verwundert folgte Philip seinem Vater aus der Burg. Auf dem äußeren Hof schien die Mittagssonne warm und blendend hell auf ihn nieder, der Himmel war tiefblau wie Emmas Augen, wenn sie sich in Sorge oder Schreck weiteten. Es war unmöglich, nicht in eine gehobene Stimmung zu geraten, ganz gleich, welche Vorwürfe ihn daheim erwarten mochten. Und die Hoffnung und Spannkraft der Jugend regten sich aufs neue in ihm, als sein Vater mit knappen Worten berichtete, was geschehen war, während sein Sohn sich im Kerker verzehrt hatte, ohne Nachrichten zu erhalten.
»Dann hat es zwei Angriffe auf Fräulein Vernolds Boot und ihren Marktstand gegeben? Ihr Eigentum wurde gestohlen, ihre Leute angegriffen?« Er hatte seine schmutzige und abgerissene Erscheinung schon vergessen und schritt mit erhobenem Kopf und kriegerischem Blick heimwärts, beinahe so, wie er ausgesehen hatte, als er am Vorabend des Jahrmarkts seine unglückliche Expedition über die Brücke angeführt hatte. »Und niemand ist als Täter ergriffen worden? Nichts ist geschehen? Aber sie selbst könnte in Gefahr sein!« Empörung beschleunigte seine Schritte. »Was unternimmt der Grafschaftsbeamte, in Gottes Namen?«
»Er hat genug damit zu tun, ungehörige Tumulte von dir und deinesgleichen aufzulösen«, erwiderte sein Vater prompt, vermochte damit aber nicht, seinen entflammten Sprößling auch nur zum Erröten zu bringen. »Aber da du es wissen möchtest - Fräulein Vernold befindet sich im Gästehaus der Abtei, in sicherer Obhut des stellvertretenden Grafschaftsbeamten Hugh Beringar und seiner Gemahlin. Du würdest gut daran tun, an deine eigenen Schwierigkeiten zu denken, mein Junge, und auf deinen eigenen Schritt zu achten, denn du sitzt noch nicht im Trockenen.«
»Was habe ich Unrechtes getan? Ich ging nur einen Schritt weiter als du am Tag vorher.« Er schien nicht einmal bekümmert zu sein, brachte seine Verteidigung halb geistesabwesend vor, alle Gedanken auf das Mädchen konzentriert. »Selbst im Gästehaus mag sie nicht ungefährdet sein, wenn dies alles ein entschlossener Angriff gegen ihren Onkel und seine Familie ist.« Am Tod eines weiteren Händlers auf dem Jahrmarkt zeigte er weniger Interesse. So erschreckend dieser zweite Mord war, schien er doch wenig oder nichts mit den rachsüchtigen Anschlägen gegen Meister Thomas und seinen Besitz zu schaffen zu haben. »Sie sprach so gerecht«, sagte er. »Sie wollte nicht, daß ich schlimmerer Vergehen als derjenigen angeklagt würde, die ich beging.«
»Wahrhaftig, sie war eine edle, aufrichtige Zeugin, das ist nicht zu leugnen. Aber dich geht das jetzt nichts an, für sie ist gut gesorgt. Du hast an deine Mutter zu denken, sie mußte in diesen Tagen deinetwegen Schweres ertragen. Und nun, da man in andere Richtungen blickt, um den Mörder zu suchen - ohne dich aus den Augen zu lassen, wohlgemerkt! - wird sie dir vor Erleichterung die Ohren langziehen. So oder so, du kannst dich auf einen lebhaften Empfang gefaßt machen.«
Philip war weit davon entfernt, sich deshalb zu beunruhigen, doch sobald er das Haus hinter der Schuhmacherwerkstatt betrat, wurde ihm in der Tat ein lebhafter Empfang zuteil, nicht so oder so, sondern beides zugleich. Frau Corviser, eine stattliche, redegewandte Matrone, blickte von ihrer Arbeit am Herd auf, wandte den Kopf, stieß einen unterdrückten Schrei aus, ließ ihren Löffel fallen und stürmte wie ein Schiff unter vollen Segeln herbei, um ihn zu umarmen, zu schütteln, die Nase über seinen Kerkergeruch zu rümpfen, ihn wegen des traurigen Zustands seiner Kleidung zu schimpfen, ihm eins hinter die Ohren zu geben, weil
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