Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
hatte, halbwegs abgefunden. Und nun fielen ihr Ivos Worte ein - Worte, die sie damals in der Betäubung ihres Schmerzes beinahe unbeachtet gelassen hatte, an deren herzerwärmende Bedeutsamkeit sie sich aber nun erinnerte.
»Ist es der Ritter Corbiere?«
»Nein, diesmal nicht. Diesen kenne ich nicht, aber er sagt, sein Name sei Philip Corviser.«
»Ich kenne ihn.« Aline lächelte über ihrer Näharbeit. »Der Sohn des Bürgermeisters, Emma, der junge Mann, für den Ihr in der Verhandlung aussagtet. Hugh sagte, er wolle Sorge tragen, daß man ihn heute auf freien Fuß setzt. Wenn es jemanden gibt, der von sich sagen kann, er habe in diesen letzten zwei Tagen keiner Fliege etwas zuleide getan, dann ist er es. Wollt Ihr ihn empfangen? Es wäre eine Freundlichkeit.«
Emma hatte ihn beinahe vergessen, sogar seinen Namen, aber sie erinnerte sich seiner Bitte, ihm zu glauben. So viel war seither geschehen. Sie entsann sich seiner ungekämmten, beschmutzten und abgerissenen Erscheinung, totenbleich nach seiner Trunkenheit, doch mit einem verzweifelten Bemühen, Würde zu bewahren. »Ja, freilich entsinne ich mich. Und er soll nur eintreten.«
Constance führte ihn herein. Frisch aus dem Flußwasser, das noch feuchte Haar in dicken Locken um den Kopf, rasiert und von blühender Gesichtsfarbe, dazu mit einem Ausdruck grimmigen Ernstes, doch ohne die aggressive Haltung, die er zuvor gezeigt hatte, unterschied sich dieser Jüngling stark von dem gedemütigten Gefangenen vor dem Grafschaftsbeamten. Jener letzte Blick, den er ihr über die Schulter zurückgeworfen hatte, als er hinausgeführt worden war... Ja, sie sah die Ähnlichkeit. Er verbeugte sich artig vor Aline, dann vor Emma.
»Gnädige Frau, ich bin gegen eine Kaution meines Vaters freigelassen worden. Ich komme, Fräulein Emma meinen Dank zu sagen, weil sie so fair für mich sprach, obwohl ich kein Recht hatte, guten Willen von ihr zu erwarten.«
»Ich freue mich, Euch auf freiem Fuß zu sehen, junger Mann«, sagte Aline lächelnd. »Und Ihr scheint den Kerker gut überstanden zu haben. Nun, sicherlich wollt Ihr mit Emma allein sprechen, und andere als meine Gesellschaft mag ihr eine angenehme Abwechslung sein, denn hier reden wir über nichts als über Säuglinge.« Sie stand auf, legte ihre Näharbeit sorgsam zusammen und trug sie hinaus.
»Constance und ich werden auf der Bank bei der Tür sitzen, in der Sonne. Das Licht ist dort besser, und ich bin mit Nadel und Faden nicht so geschickt wie Emma. Ihr könnt hier ungestört sein.«
Und schon war sie draußen, und die Zurückbleibenden sahen einen Sonnenstrahl von der offenen Tür des Gästehauses auf ihrem goldblonden Haar funkeln, bevor Constance ihr folgte und die Tür hinter sich schloß.
»Nach meiner Freilassung«, sagte Philip und blickte Emma ernst in die Augen, »wollte ich als erstes Euch wiedersehen und Euch dafür danken, was Ihr für mich tatet. Und das tue ich jetzt, von ganzem Herzen. Einige unter den Zeugen dort hatten mich mein Leben lang gekannt und hegten sicherlich keinen Groll gegen mich, und sie sagten doch aus, daß ich als erster zugeschlagen und alles mögliche getan hätte, was ich wirklich nicht tat. Ihr aber, die Ihr unter meiner Handlungsweise gelitten hattet, obwohl ich das weiß Gott niemals wollte, Ihr sagtet wahrhaftig und gerecht für mich aus. Um das für einen Unbekannten zu tun, den zu lieben Ihr keine Ursache hattet, erforderte ein großmütiges Herz und einen gerechten Sinn.« Er hatte das Wort ›lieben‹ nicht bewußt gewählt, es war wie eine gewöhnliche Redewendung von selbst über seine Lippen gegangen, doch als er es hörte,wurde er feuerrot im Gesicht.
Auch ihr stieg das Blut in die Wangen. »Ich sagte nur die Wahrheit darüber, was ich gesehen hatte«, erwiderte sie. »So hätten wir alle verfahren sollen, es ist keine Tugend, sondern eine Pflicht. Es war schändlich, daß einige es nicht taten. Manche Menschen denken nicht darüber nach, was sie sagen, und sie scheuen die Mühe, sich klar an alles zu erinnern, was sie gesehen haben. Aber das ist jetzt vorbei.
Ich bin sehr froh, daß man Euch hat gehen lassen. Und ich war erleichtert, als Hugh Beringar sagte, man werde in Anbetracht dessen, was inzwischen geschehen ist und woran Euch gewiß keine Schuld treffen kann, Eure Freilassung beschließen. Aber vielleicht habt Ihr nicht gehört...«
»Ja, ich habe es gehört. Mein Vater hat mir alles berichtet.« Philip setzte sich neben sie auf den Platz, den
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