Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
nach, und mein Verstand war betäubt, und ich kann mich um mein Leben nicht erinnern, wer die beiden waren. Es wäre ein guter Anfang, wenn Ihr sie kenntet.«
»Einer war Edric Fieshers Geselle«, antwortete Cadfael. »Den anderen habe ich gesehen, kenne ihn aber nicht beim Namen - ein großer, kräftiger junger Bursche, zweimal so breit wie du, mit hellbraunem Haar...«
Philip schnippte mit den Fingern. »John Norrey! Ich erinnere mich undeutlich, ihn später am Abend noch gesehen zu haben. Das genügt schon, ich werde mit den beiden anfangen und herausbringen, wo sie mich verließen, und wie - oder wo ich sie abschüttelte. Denn das könnte möglich sein, ich war keine gute Gesellschaft für Christenmenschen.« Er stand auf, legte sich den Kittel über die Schulter. »Den ganzen Abend werde ich entwirren, wenn ich kann.«
»Recht so, mein Junge!« sagte Cadfael herzlich. »Ich wünsche dir guten Erfolg. Und wenn du durch die Bierschenken ziehst, wie du es an jenem Abend getan zu haben scheinst, halte auch für mich die Augen offen, ja? Wenn du den Mörder des Kaufmannes finden kannst, magst du sehr wohl auch den Mörder des Handschuhmachers gefunden haben.« Sorgfältig erklärte er ihm, wonach er Ausschau halten sollte. »Ein Arm, der einen Becher hebt oder auf einem Tisch liegt, mag dir zeigen, was ich suche. Der linke Ärmel eines rostbraunen Kittels ungefähr eine Handlänge weit aufgeschlitzt. Es wird an der Unterseite des Arms sein. Oder, wo Arme entblößt sind, ein kleiner Kratzer, den der Dolch hinterließ, als er den Ärmel schlitzte. Oder ein Verband, der den linken Unterarm schützt. Aber wenn du einen Mann findest, der dir durch diese Merkmale auffällt, fordere ihn weder heraus, noch sprich mit ihm - sag mir nur, wenn du kannst, seinen Namen und wo er zu finden ist.«
»Dieser Mann wäre der Mörder des Handschuhmachers?« fragte Philip, der die Einzelheiten mit ernstem Kopfnicken zur Kenntnis genommen hatte. »Ihr meint, es könnte einer und derselbe sein?«
»Wenn nicht derselbe, so doch zwei, die einander gut kennen und an derselben Verschwörung beteiligt sind. Findest du einen, so werden wir auch dem anderen nahe sein.«
»Ich werde die Augen offenhalten«, versprach Philip und verließ ihn, um mit seiner Nachforschung zu beginnen.
3. Kapitel
Später grübelte Bruder Cadfael noch oft über die folgenden Ereignisse nach und überlegte, ob Gebete einen rückwirkenden Einfluß auf Geschehnisse haben können, so wie sie die Zukunft beeinflussen. Was geschehen war, war bereits geschehen. Doch würde er die gleiche Situation vorgefunden haben, wenn er nach Philips Weggang nicht sofort in die Kirche geeilt wäre, erfüllt von dem leidenschaftlichen Drang, die Richtung seiner eigenen Anstrengungen, die ihm so unfruchtbar erschienen, dem Gebet anzuvertrauen? Es war ein äußerst heikles und kompliziertes theologisches Problem, das seines Wissens noch nie erörtert worden war. Oder - sollte dies doch geschehen sein - hatte kein Theologe gewagt, über den Gegenstand zu schreiben, vermutlich aus Furcht, der Häresie beschuldigt zu werden.
Da er jedoch fest an die Macht des Gebetes glaubte und während des Tages bereits einige Pflichtgebete versäumt hatte, war es ihm ein Bedürfnis, seine verwirrten Bemühungen Augen und Ohren anzuvertrauen, die alles sahen und hörten, und einer Macht, die alle Türen öffnen konnte. Er wählte dazu die Kapelle im Querschiff, aus der Meister Thomas' Sarg an diesem Morgen nach der Totenmesse entfernt worden war. Nachdem er sich bisher angestrengten Bemühungen hingegeben hatte, wie ein Mann, der sich einen Berg hinaufschleppt, hatte er jetzt Zeit, niederzuknien und zu warten, wußte er doch, daß es eine Macht gab, vor welcher der Berg sich neigte. Er betete um Geduld und Demut, dann betete er für Emma, für die arme Seele des Meisters Thomas von Bristol, für das Kind, das Aline und Hugh Beringar geboren werden sollte, für den jungen Philip und die Eltern, die ihn wiedergewonnen hatten, für alle, die Ungerechtigkeit und Unbill erlitten und bisweilen vergaßen, daß sie jenseits der weltlichen Gewalten einen Zufluchtsort hatten.
Dann war es hohe Zeit für ihn, sich von den Knien zu erheben und seiner ersten Pflicht hier nachzukommen, mochten andere Angelegenheiten noch so gewaltsam versuchen, sich in seine Gedanken zu drängen. Seit sechzehn Jahren oblag ihm die Pflege des Kräutergartens und die Herstellung von Arzneien daraus, und auf seine Heilmittel verließ
Weitere Kostenlose Bücher