Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
entsann sich eines schlanken, eleganten und selbstsicheren Mannes von Stand, der über ein rollendes Faß sprang, um sie am Rand des Steges festzuhalten. Und später, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, war er zur Verhandlung in die Burg gekommen und hatte Emmas ehrliche Aussage unterstützt - obgleich er auch seinen Falkner über die dummen Drohungen hatte aussagen lassen, mit denen Philip später am Abend betrunken im Wirtshaus aufgefallen war. Eine Aussage, die Philip nicht abstritt, da er wußte, daß er klarer Gedanken oder einer genauen Erinnerung unfähig gewesen war.
Doch er erinnerte sich auch der abscheulichen Begleitumstände und Folgen seiner Trunkenheit und litt noch immer darunter. Und der junge Herr mit dem leuchtenden Blondhaar und der Gewandtheit eines Athleten hatte im Gegensatz zu ihm eine bewundernswerte Figur gemacht.
»Ich werde gehen«, sagte Philip und ließ endlich ihre Hand los, wenn auch widerwillig. »Ich wünsche Euch für die Reise und alle Zeit Wohlergehen.«
»Das wünsche ich Euch auch«, erwiderte sie und fügte mit unbewußter Grausamkeit hinzu: »Wollt Ihr so gut sein und Ritter Corbiere hereinbitten.«
Bis dahin hatte Philip noch nie in seinem Leben die Notwendigkeit gefühlt, sich körperlich und geistig zu seiner vollen Größe aufzurichten. Sein Abgang erfolgte mit einer Würde, deren er sich für nicht fähig gehalten hatte. Und als er draußen in der Vorhalle Corbiere traf, bat er ihn hinein, wie Emma es ihm aufgetragen hatte, sehr höflich und ehrerbietig, während ihn innerlich brennende Eifersucht verzehrte. Corbiere dankte ihm freundlich, und wenn er ihn mit einem kurzen Blick musterte, so geschah es mit Interesse und Respekt und ohne erkennbare Erinnerung, ihn jemals in weniger annehmbaren Umständen gesehen zu haben.
Wer hätte erwartet, dachte Philip, als er im Sonnenschein über den großen Hof ging, daß ein Schuhmacher und ein begüteter Ritter einander hier die Klinke in die Hand geben würden? Nun, Corbiere mochte mehrere Landsitze in Cheshire und einen in Shropshire haben und ein entfernter Verwandter des Grafen Ranulf sein, und willkommen an seinem Hof. Aber er, Philip, wußte etwas, was er für Emma tun konnte, und außerdem hatte er ein Handwerk, das so ehrenhaft war wie das adlige Geblüt des anderen. Und wenn ihm gelang, was er sich vorgenommen hatte, so würde sie es ihm nie vergessen, ganz gleich, für wen sie sich entscheiden mochte.
Nach einigen Stunden fruchtloser Suche auf dem Jahrmarkt und am Flußufer kam Bruder Cadfael zum Torhaus herein. Unter Hunderten von Männern, die mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt waren, glich die Suche nach einem aufgeschlitzten oder hastig geflickten Ärmel der Jagd nach der Nadel im Heuhaufen. Sein Problem war, daß er keinen anderen Weg wußte, wie er seine Nachforschungen vorantreiben könnte. Zu alledem hielt das heiße und ruhige Wetter an, und die meisten Leute auf den Straßen und hinter den Marktständen waren in Hemdsärmeln. Der Dolch des Handschuhmachers hatte den Angreifer verletzt, aber mit der braunen Stoffaser war kein Faden weißen oder ungebleichten Leinens losgerissen worden. Wenn der Angreifer ein Hemd getragen hatte, so waren die Ärmel aufgerollt gewesen, und es war unversehrt geblieben und konnte jetzt die Schnittwunde oder den Verband, falls die Wunde einen benötigt hatte, bedecken. Cadfael kehrte zurück, um zu erledigen, was in seiner Werkstatt auf ihn wartete, und um sich für die Vesper bereitzumachen, doch tat er dies mehr aus Ratlosigkeit als aus einem anderen Grund. Eine Ruhepause in der vertrauten Stille des Kräutergartens mochte geeignet sein, den grübelnden Verstand auf neue, aussichtsreichere Gedankengänge zu bringen.
Auf dem großen Hof beg egnete er zufällig Philip Corviser, der vom Gästehaus zum Tor ging. Tief in Gedanken versunken, lief der junge Mann vorbei, ohne ihn zu sehen, aber dann hielt er plötzlich inne und wandte sich um. »Bruder Cadfael!«
Cadfael, ebenfalls gedankenverloren, blieb stehen und wandte den Kopf.
»Ihr wart es«, sagte Philip, »der nach Emma in der Verhandlung für mich aussagte. Und ich erkannte Euch dann als Klosterbruder, der mir auf die Beine und aus dem Handgemenge geholfen hatte, als meine Freunde bei der Anlegestelle mit den Händlern in Streit geraten waren. Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch zu danken, Bruder, aber ich tue es jetzt.«
»Was ich tat, konnte dir nicht lange helfen, mein Junge«, entgegnete
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