Der Aufstand
angefleht. Ganz kurz hatte er gewirkt, als versuche er mit aller Kraft, sich zu konzentrieren, bevor er ihr sein letztes Versprechen ins Ohr geflüstert hatte.
«Ich komme zu dir zurück …» Dann war das Licht in seinen Augen erloschen, und er starrte nur noch glasig vor sich hin.
Und nun, da Alex so viele Jahre und so viele Ereignisse später in diesem dunklen Zimmer saß, war ihr zum Weinen zumute. Doch weinen konnte sie nicht.
Joels Augen öffneten sich in der Dunkelheit. «Wie spät ist es?», murmelte er im Halbschlaf.
«Spät», flüsterte sie. «Schlafen Sie weiter.»
«Ich habe geträumt.»
«Ich weiß.»
«Ich habe geträumt, dass Sie mich hier hereingetragen haben.»
Sie lachte. «Verrückt.»
«Für mich hat es sich sehr wirklich angefühlt.»
«Das war aber trotzdem nur ein Traum», entgegnete sie und schob eine Haarsträhne beiseite, die ihm über das Auge gefallen war.
«Wie lange sitzen Sie schon hier?», fragte er leise mit einem Lächeln auf den Lippen.
«Ich gehe jetzt besser.»
Er aber nahm ihre Hand, als sie aufstand. «Bleib», sagte er. Sie hätte sich leicht aus seinem Griff losreißen können, tat es aber nicht.
Was machst du da, Alex?
Sie ließ zu, dass er sie zu sich herabzog, langsam und immer näher, bis sie seinen warmen Atem auf ihren Lippen spürte. Seine Augen funkelten im Mondlicht, das zum Fenster hereinschien. Und dann, als sie sich küssten, gab es kein Zurück mehr, für keinen von beiden.
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Kapitel 58
Dorchester Bar, London
22.17 Uhr
Z usammengesackt auf einem Hocker am Ende der geschwungenen Bar, leerte Kirsty Fletcher ihren Gin Tonic und bestellte noch einen. Sie schaute auf ihre Uhr. Ihr Freund Steve hätte schon vor über einer Dreiviertelstunde kommen sollen. Das Rumtrödeln wurde langsam zur Gewohnheit. Außerdem war sie vor knapp sechs Stunden völlig enttäuscht und demoralisiert von ihrem Vorsprechen gekommen, und dieses Gefühl hatte sie seither nicht mehr verlassen. Steve hatte das Dorchester vorgeschlagen, um gemeinsam ihre Sorgen zu ertränken.
Prost, Steve
, dachte sie verbittert beim ersten Schluck ihres zweiten Gin Tonics. Ein noch größerer folgte, und bevor sie es sich versah, klingelte auch schon das Eis im leeren Glas. Doch bei den Preisen konnte sie nicht die ganze Nacht hier bleiben. In ihrer kleinen Wohnung in Hammersmith lag noch eine billige Flasche Wein im Kühlschrank; sie wollte sie mit ins Bett nehmen, den Fernseher einschalten und den Rest des Tages von seinem Elend erlösen. Die Vorstellung gefiel ihr.
Erst das aufgeregte Geflüster der Gruppe von Frauen am Tisch hinter ihr bewirkte, dass sie sich zum Eingang umdrehte.
«Wer ist das denn?», fragte die dürre Blonde leise hinter vorgehaltener Hand die Brünette neben ihr. Kirsty folgte ihren Blicken zu dem Mann, der gerade in die Bar gekommen war. Er war groß und fast schon unglaublich elegant, aber ohne jede Spur von Affektiertheit. Vielleicht Anfang vierzig, aber mit dem Körper eines Tennis-Champions und den Bewegungen eines Leichtathleten. Sein Haar war dicht und dunkel, und die Augen unter seinen schmalen Brauen leuchteten im lebhaftesten Blau, das sie je gesehen hatte. Sie schluckte.
Oh mein Gott … er kommt hierher.
Er ging die ganze Theke ab, nahm sich einen Barhocker zwei Plätze von ihr entfernt und zog seinen langen Ledermantel aus, unter dem ein herrlicher, maßgeschneiderter Anzug zum Vorschein kam. Als er ein Glas Champagner bestellte, schien seine Stimme wie warmes Wasser über sie zu tröpfeln.
Auf einmal überlegte sie, ob sie vielleicht doch noch ein wenig länger bleiben sollte, und spielte mit ihrem leeren Glas herum. In diesem Augenblick drehte sich der Mann zu ihr um und warf ihr ein Lächeln zu, das einen Schauder der Erregung durch ihren Körper laufen ließ.
«Ich habe noch nie gerne alleine getrunken», sagte er in einem sanften, warmherzigen Tonfall. Kirsty spürte förmlich, wie sich die neidischen Blicke der Frauen am Tisch in sie bohrten.
Sie nickte.
«Möchten Sie auch was?», fragte er.
Sie nickte, und er bestellte eine ganze Flasche Champagner und stellte sich als Gabriel vor. Als er sie fragte, was sie mache, antwortete sie unter heftigem Erröten, dass sie Schauspielerin sei.
«Wenn auch keine sonderlich erfolgreiche», fügte sie hinzu und erzählte ihm von den wenigen Mini-Rollen – vor allem im Fernsehen –, die sie gehabt hatte, und ihrem erfolglosen Vorsprechen vom Nachmittag. «Deswegen bin ich
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