Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
Vom Netzwerk:
das luxuriöse Foyer gingen. «Ich muss im nächsten halben Jahr mit dem halben Gehalt auskommen.»
    «Wer hat gesagt, dass Sie bezahlen sollen?», meinte Alex.
    «Ich lasse doch nicht zu, dass Sie –»
    «Ganz locker bleiben. Ich stamme aus einer reichen Familie, in der Geld kein Thema ist.» Der Gedanke an das Spesenkonto, das sie Harry Rumble für ihre Reise nach Venedig abgerungen hatte, entlockte ihr ein Lächeln. Wenn sie schon eine Zeitlang hier bleiben und nach einem alten Kreuz suchen mussten, das womöglich gar nicht existierte, konnten sie das ebenso gut mit Stil tun. Alex ging voran zur Rezeption und versuchte, zwei nebeneinanderliegende Doppelzimmer zu buchen. Der Hotelmanager schüttelte jedoch den Kopf und erklärte, er habe nur noch eine Suite mit zwei getrennten Schlafzimmern anzubieten. Er nannte einen astronomischen Preis, und sie buchte, ohne zu zögern.
    Sie hatten wenig Gepäck dabei. Ein uniformierter Gepäckträger nahm Joels Sporttasche in die linke Hand. Er war recht kräftig gebaut und hob sie ohne Mühe hoch, doch als er versuchte, auch die lederne Reisetasche zu nehmen, die wenige Sekunden zuvor Alex getragen hatte, bekam er sie kaum vom Boden. Er warf ihr einen verblüfften Blick zu, hob die Tasche ächzend hoch und ging voraus zum Aufzug.
    «Was haben Sie denn da drin?», fragte Joel, als er sah, wie der Gepäckträger sich abmühte und sofort ins Schwitzen kam.
    «Ach, wir Mädels schleppen eben immer viel mit uns herum», erwiderte sie lässig.
    «Wem sagen Sie das.»
    Die Suite war ausgesprochen luxuriös und schien sich mindestens über ein halbes Stockwerk des Hotels zu erstrecken. Auch die getrennten Schlafzimmer waren riesig wie in einem Palast. Beide waren mit einem Himmelbett ausgestattet, ihres mit blauem und seines mit goldfarbenem Satin bezogen, und beide verfügten über einen Balkon mit Blick auf den Kanal. Joel trat auf seinen hinaus und stützte sich auf die steinerne Brüstung, fasziniert von dem Ausblick, der sich ihm bot. Hell spiegelte sich der Vollmond im sich kräuselnden Wasser, und die Lichter der Stadt funkelten wie Sterne. Plötzlich spürte er ihre Gegenwart, und als er sich ruckartig umdrehte, stand sie ganz dicht vor ihm.
    «Habe ich Sie erschreckt?» Sie lächelte. «Tut mir leid.»
    «Ich war vollkommen weggetreten.»
    «Zum ersten Mal hier?»
    «Überhaupt zum ersten Mal irgendwo», entgegnete er. «Außer, Sie zählen Klettertouren in den Lake District und Wochenenden in Blackpool mit meiner Tante und meinem Onkel als Reisen. Würstchen und Pommes am Pier. Nicht ganz hiermit zu vergleichen, oder?»
    Sie trat dicht an ihn heran und betrachtete seine Figur, während er sich an die Balkonbrüstung lehnte. Er war schlank, aber kräftig und geschmeidig. Sie konnte seine Haut und sein Haar riechen und verspürte zu ihrer eigenen Verblüffung das Verlangen, ihn zu berühren.
    «Erstaunlich», sagte er bei dem Anblick, der sich ihm bot. «Die Stadt hat sich wahrscheinlich in den letzten Jahrhunderten kaum verändert.»
    «Nein, hat sie nicht», seufzte sie.
    So standen sie eine Weile schweigend da, doch während er das Wasser und die dunklen Silhouetten ferner Türme von Kirchen und anderen Bauten betrachtete, die sich vor dem Nachthimmel abzeichneten, hatte sie nur Augen für ihn. Trotz all der Besorgnis und Traurigkeit, die sie in seinem Blick sah, erkannte sie auch, dass ihn die heitere Gelassenheit, welche die alte Stadt ausstrahlte, mit einer tiefempfundenen Freude erfüllte. Sie erschrak, als ihr klar wurde, wie natürlich und entspannt sie sich in der Gegenwart dieses Menschen fühlte.
    Pass bloß auf, Alex.
    «Wie wär’s mit Essen?», sagte er plötzlich und drehte sich zu ihr um.
    «Bitte?»
    «Sie müssen doch hungrig sein. Wollen wir mal sehen, ob wir irgendwo noch was bekommen?»
    «Ich esse nicht so viel», erklärte sie.
    Joel hatte in den letzten sechsunddreißig Stunden kaum etwas zu sich genommen, und nun rebellierte sein Magen. «Vielleicht könnten wir uns ja etwas aufs Zimmer bringen lassen?»
    Kurz darauf wurde eine Auswahl an kalten Braten, Salate, Oliven und Käse auf die Suite geliefert, zusammen mit zwei Flaschen exzellentem Rotwein – alles mit freundlicher Genehmigung der VIA . Joel fiel über das Essen her wie jemand, der gerade erst von einer einsamen Insel gerettet worden war, und füllte einen Teller mit kaltem Huhn, luftgetrocknetem Schinken, einem Berg Oliven und einem großen Stück Käse. Alex begnügte sich dagegen mit

Weitere Kostenlose Bücher