Der Aufstand
Glastüren und zog willkürlich ein Buch heraus. Sie schlug es vorsichtig auf und stellte fest, dass es sich um Miltons
Das verlorene Paradies
handelte. Wie alt dieses Exemplar wohl sein mochte?
«Sehr alt», sagte Gabriel, und sie erschrak.
«Haben Sie mir einen Schrecken eingejagt!»
Er lächelte. «Das war keine Absicht. Ich entschuldige mich.» Er trug ein schweres Silbertablett mit einer Flasche Champagner und zwei schmalen Flöten.
«So viel Champagner habe ich noch nie getrunken», gestand sie und nippte an ihrem Glas, während Gabriel zum Flügel ging. Grazil senkten sich seine Finger auf die Tasten, und er begann zu spielen.
«Das ist wunderschön», murmelte sie.
«Komponiert von jemandem, den ich früher mal kannte. Frédéric hieß er. Frédéric Chopin.»
Kirsty runzelte die Stirn. «Ist der nicht schon tot? Ich meine, schon ziemlich lange tot?»
Gabriel antwortete nicht. Er spielte weiter, und die kraftvolle, melancholische Musik erfüllte den Raum. Während Kirsty ihr lauschte, ging sie zurück ans Bücherregal und fand das Werk einer Schriftstellerin, die ihr ein Begriff war: Jane Austen. Vorsichtig öffnete sie das Buch und sah, dass es von der Autorin signiert war.
«Das ist ja eine ganz erstaunliche Büchersammlung», sagte sie. «Einige dieser Exemplare müssen extrem selten sein.»
Er hörte abrupt zu spielen auf und erhob sich. Er nahm sein Glas vom Flügel und nippte daran, während er zu ihr ging. «Das sind nur ein paar Dinge, die ich auf meinen Reisen erworben habe», erklärte er, griff an ihr vorbei und zog ein Buch aus einem Regal. «Wie das hier, von Turgenjew. Erstausgabe und extrem wertvoll.» Er wog das Buch in der Hand und schleuderte es plötzlich ins Feuer. Es öffnete sich, und die Seiten kräuselten sich und wurden schwarz, als die Flammen sie verschlangen.
Sie starrte ihn entgeistert an.
«Das sind doch nur Worte», wehrte er ab. «Offen gestanden habe ich für die menschliche Kultur wenig übrig, Kirsty. Sie amüsiert mich ein Weilchen, aber auf lange Sicht empfinde ich sie als hohl und einfältig.» Er trat näher an sie heran und berührte die Haut an ihrer Schulter. «So zart», sagte er. «Ich könnte einen Mantel aus Ihnen machen lassen.»
«Sie sind ja verrückt», kicherte sie. Er beugte sich langsam vor, um sie zu küssen. Sie spürte den kühlen Druck seiner Lippen auf ihren und erwiderte den Kuss. Als er sich aus der Umarmung löste, war sie ganz außer Atem.
«Haben Sie einen Mann oder Freund?»
«Vergessen Sie den», hauchte sie.
«Ganz schön wankelmütig. Schwachheit, dein Name ist Weib.»
Sie wollte ihn noch einmal küssen, doch er wehrte ab. «Ich möchte Sie jetzt kostümiert sehen», erklärte er.
«Kostümiert?»
«Für die Rolle, die Sie spielen werden. Lillith bringt Sie in die Garderobe. Hier ist sie ja schon.»
Kirsty drehte sich verblüfft um und sah eine Frau auf sich zukommen. Sie war extrem schön. Pechschwarze Locken fielen ihr über den Rücken und ihre glänzend schwarze lederne Kleidung, die eng an ihrem geschmeidigen Körper anlag. Ihre Haut wirkte im weichen Licht wie Elfenbein. Ihre Augen glitzerten schwarz, als sie sich näherte.
«Du hast mich gerufen, Gabriel», sagte sie, ohne Kirsty aus den Augen zu lassen. Ihre Stimme war tief und rauchig.
«Davon habe ich gar nichts bemerkt», lachte Kirsty nervös.
«Meine Schwester und ich, wir stehen einander sehr nahe», sagte Gabriel. «Das ist fast schon wie Telepathie.» Er strich Lillith zärtlich über die Schulter. «Würdest du Kirsty jetzt bitte nach oben bringen? Ich habe das Kostüm für sie schon bereitgelegt.»
Der Champagnernebel teilte sich wie von einer Klinge durchschnitten. Kirsty runzelte die Stirn. «Sie haben es … aber wie …»
«Richtig beobachtet», erwiderte Gabriel lächelnd. «Ich habe es für Sie ausgesucht, bevor ich das Haus verließ.»
«Mein Bruder bereitet immer alles rechtzeitig vor», schnurrte Lillith.
Kirsty wurde plötzlich nervös. Sie schaute auf die Uhr. «Vielleicht bringen Sie mich doch besser zurück nach London. Über den Film können wir ja ein andermal reden.»
«Kommen Sie mit, Kirsty, es wird Ihnen gefallen.» Lillith nahm sie beim Arm. Ihr Griff war sanft und fest zugleich. Kirsty wollte protestieren, aber etwas in den Augen der Frau machte es ihr unmöglich zu widerstehen, und so ließ sie sich widerstandslos wegführen. Lillith redete leise und beruhigend auf sie ein, während sie gemeinsam die Bibliothek verließen
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