Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
Vom Netzwerk:
ein paar winzigen Häppchen, und beide ließen sich in bequemen, einander gegenüberstehenden Sesseln im weitläufigen Wohnbereich der Suite nieder. Joel schien ihr Mangel an Appetit nicht weiter aufzufallen. Nachdem sie eine Zeitlang schweigend gegessen hatten, kamen sie erneut auf das Kreuz zu sprechen. Und bald schon spekulierten sie wieder angeregt über die vagen Hinweise im Buch, deren Bedeutung ihnen noch immer Rätsel aufgab.
    «Erlösung liegt zu Füßen der Jungfrau», las Joel vor und schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein. Er trank dreimal so schnell wie sie und bekam immer leuchtendere Augen, während die erste Flasche rasch zur Neige ging.
    Alex nippte nur an ihrem Glas. «War Ihr Großvater katholisch?»
    «Soweit ich weiß, ist er als Mitglied der Church of England erzogen worden. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass er je in die Kirche gegangen wäre.»
    «Und was ist, wenn es ihm hier gar nicht um Metaphysik ging, sondern ganz konkret um seine eigene Erlösung, seine Rettung? Durch das einzige Ding, von dem er glaubte, dass es ihn retten könnte?»
    «Sie glauben, er hat sich mit dem Satz auf die Lage des Kreuzes bezogen?»
    Sie nickte.
    «Zu Füßen der Jungfrau. Wie viele Exemplare der Jungfrau Maria dürfte es in Venedig wohl geben?», fragte er.
    «Sicherlich ein paar tausend. Die Muttergottes ist in dieser Gegend nicht gerade eine Rarität.»
    «Dann kommen also ziemlich viele Stellen in Frage.»
    Sie redeten weiter und tauschten Gedanken aus, ohne wirklich voranzukommen. Joel schob seinen leeren Teller zur Seite und öffnete die zweite Flasche Wein. Bald schon rutschte er tiefer in seinen Sessel und begann ein wenig zu lallen.
    «Und was soll dieses ‹ ANCHI 666 ›?», klagte er. «Das treibt mich noch in den Wahnsinn.»
    «Meine Bibelkenntnisse sind ein wenig eingerostet», räumte Alex ein, «aber ich glaube, in der Offenbarung des Johannes heißt es, die Zahl sechshundertsechsundsechzig sei die Zahl des Gesandten des Teufels, seines Stellvertreters auf Erden. Ob damit ein Vampir gemeint ist?»
    «Vielleicht, vielleicht auch nicht …», murmelte Joel und rutschte noch ein Stückchen tiefer in seinen Sessel. «Aber am Ende sind das doch alles bloß Spekulationen.» Er lallte nun deutlich und hatte Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Alex trat an seinen Sessel und legte ihm eine Hand auf die Lippen.
    «Ssh. Wir reden morgen weiter. Sie sind müde.»
    Er nickte schläfrig und schloss die Augen. Sie kniete neben seinem Sessel und betrachtete sein Gesicht, als er einschlief.
    Schon nach wenigen Minuten war er weit weg. Es war, als wäre sie allein im Raum. Ein merkwürdiges Gefühl der Leere überkam sie, als ein plötzlicher Impuls sie dazu brachte, ihm über die Wange zu streichen.
    «William», murmelte sie leise.
    Er bewegte sich, und seine Lider zuckten, doch schon lag er wieder reglos da. Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. Sie wollte ihn küssen … sie wusste nicht, was sie wollte, so sehr verwirrte sie die Tatsache, mit diesem Mann hier in diesem Raum zu sein.
    Nach wenigen Minuten der Unschlüssigkeit stand sie auf. Sanft schob sie ihm einen Arm unter die Schultern und den anderen unter die Beine und hob ihn vom Sessel hoch, ohne ihn zu wecken. Mühelos trug sie ihn in sein Schlafzimmer, wo sie ihn in sein Himmelbett legte und zärtlich zudeckte.
    In diesem Augenblick hätte sie ihn allein lassen sollen, doch stattdessen blieb sie bei ihm auf der Bettkante sitzen, während er schlief. Hin und wieder zuckten seine Augenbrauen, und er warf den Kopf hin und her und murmelte leise etwas vor sich hin, während böse Träume ihn heimsuchten. Sie strich ihm übers Haar und flüsterte ihm in beruhigendem Tonfall etwas zu, bis das Stirnrunzeln aus seinem Gesicht wich und er fast wie ein Kind aussah.
    Sie verstand selbst nicht, was es ihr so schwer machte, von seiner Seite zu weichen. Je mehr Zeit verging, desto mehr sah sie sich in Gedanken wieder so, wie sie vor sehr langer Zeit einmal gewesen war: glücklich, sorglos und verliebt.
    Doch dann kehrten die bösen Erinnerungen zurück, wie sie es immer taten. Sie hielt wieder ihren sterbenden Geliebten in den Armen, während sein Blut in ihre Kleider drang und Tropfen für Tropfen das Leben aus ihm wich. Und während alledem war ihr bewusst, dass ihr nichts weiter blieb, als ihn fest in den Armen zu halten und ihre kostbaren letzten gemeinsamen Augenblicke zu zählen.
    «Geh nicht», hatte sie ihn unter Tränen

Weitere Kostenlose Bücher