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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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Sie nehmen mein Angebot an?»
    «Das habe ich nicht gesagt.»
    Stone nickte nachdenklich und stand dann auf. «Ich muss Sie jetzt alleinlassen, um die Vorbereitungen für heute Nacht zu überwachen. Bitte denken Sie gar nicht erst über eine Flucht nach. Ihnen bleiben genau zwei Stunden, um sich zu entscheiden.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 77
    U nterwegs bedauerte Joel rasch, das warme Abendessen und die Unterkunft für die Nacht ausgeschlagen zu haben. Die Straße nach Vâlcanul war derart schlecht und mit Schlaglöchern übersät, dass er sehr froh über das dritte Rad des Beiwagens war.
    Seine Finger waren trotz der dicken Lederhandschuhe bald vollkommen durchgefroren. Auch was das Wetter betraf, hatte der alte Mann recht gehabt. Der Schneeregen, der Joel waagrecht ins Gesicht peitschte, wurde mehr und mehr von dicken weißen Flocken abgelöst, die er sich wieder und wieder von den Gläsern seiner Schutzbrille wischen musste. Und bald schon ging die steinige Fahrbahn im schwachen Licht des Scheinwerfers lückenlos in den verschneiten Straßenrand über.
    Nach einer beschwerlichen Stunde Fahrt – seine Hände fühlten sich an wie leblose Fleischklumpen – kamen wenige hundert Meter vor Joel die ersten Steinhäuser in Sicht.
    Vâlcanul. Anhand der Beschreibung, die ihm die Lehrerin gegeben hatte, wusste er, dass dies der Ort sein musste, den er suchte.
    Kein einziges Licht brannte, kein Mensch war zu sehen, und außer seinem Motorrad war auch nirgendwo ein Fahrzeug zu entdecken. Das Dorf war noch kleiner als das, aus dem er gekommen war, und wirkte vollkommen verlassen. Die verrotteten Türen, die glaslosen Fenster, die eingestürzten Dächer und das Unkraut zwischen den Pflastersteinen schienen darauf hinzudeuten, dass hier schon seit hundert Jahren niemand mehr lebte.
    Joel brachte das Motorrad schlitternd auf der verschneiten Straße zum Stehen. Nachdem er den Motor abgestellt hatte und vom Sattel gestiegen war, dröhnte die Stille regelrecht in seinen Ohren. Die Wolkendecke war aufgerissen, und durch die Schneeflocken drang blasses Mondlicht. Joel nahm seine Schutzbrille ab, löste den Kinnriemen seines Helms und blickte sich in der trostlosen Umgebung um.
    Das sollte der Ort sein, den er suchte? Joel konnte sich nur schwer vorstellen, dass Gabriel Stone sein komfortables Herrenhaus in England aufgegeben hatte, um fortan in den Ruinen diesen abgelegenen Bergdorfes zu hausen. Er griff in den Beiwagen, öffnete den Kreuzbehälter und holte das Artefakt heraus. Er musste wieder an die seltsame Wärme denken, die es ausgestrahlt hatte, als er Kate Hawthorne gegenübergetreten war – fast als hätte es eine Art Eigenleben. Er hielt es fest in seiner Hand, doch es fühlte sich kalt und leblos an.
    Hier war nichts.
    Joel spürte Enttäuschung und Müdigkeit in sich aufsteigen. Er hatte die ganze Reise umsonst unternommen, und jetzt würde er auch noch die Nacht in diesem schrecklichen Ort verbringen müssen. Aber wo? Die meisten Häuser waren nur noch dachlose Ruinen.
    Dann sah er die alte Kirche, die am Ende der Straße von einem sanft ansteigenden Hügel aus die übrigen Gebäude überragte. Teile ihres Dachs schienen noch so weit intakt, dass sie zumindest einen gewissen Schutz vor der Witterung versprachen. Joel ließ das Motorrad stehen, wo es war; dass es hier jemand stehlen würde, war kaum zu befürchten.
    Die Kirche war praktisch leer. Joel fand eine Stelle abseits des eisigen Windes, der durch die zerbrochenen Buntglasfenster pfiff, legte den Metallbehälter auf den Boden und kramte aus seinem Rucksack seinen kleinen Petroleumkocher, eine Schachtel Streichhölzer und eine Dose Suppe hervor. Er riss mit zittrigen Fingern ein Streichholz an und schaute aus einem der kaputten Fenster. Durch die leicht erhöhte Lage der Kirche hatte er einen weiten Ausblick auf die zerklüfteten Berge, die sich wie Reihen schartiger weißer Zähne aus dem Nadelwald erhoben und sich unter dem blassen Mondlicht über den ganzen Horizont erstreckten.
    Er musste zweimal hingucken, bis er begriff, was er da sah. Als das Streichholz bis zum Ende abbrannte und ihm die Finger versengte, ließ er es fallen, ohne die Augen von diesem Anblick zu wenden.
    Auf dem Gipfel einer nahegelegenen Anhöhe stand ein in Mondlicht getauchtes Schloss.

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    Kapitel 78
    D ie Zinnen ragten hoch in den Nachthimmel. Je näher Joel kam, desto mehr fürchtete er, jemand könnte den Motorlärm hören. Er wagte es nicht, den

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