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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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Scheinwerfer eingeschaltet zu lassen, und nur die dunklen Schatten neben den steil abfallenden Straßenrändern links und rechts von ihm bewahrten ihn davor, mehrere hundert Meter tief ins Tal abzustürzen.
    Die Angst hatte Joels Eingeweide fest in ihrem eisigen Griff, aber zugleich spürte er eine irre Euphorie in sich aufsteigen; fast hätte er wie im Wahn laut aufgelacht. Allein der Gedanke an das Kreuz von Ardaich auf dem Sitz des Beiwagens, nur wenige Zentimeter von seinem rechten Knie entfernt, half ihm, seine Fassung zu bewahren. Den Transportbehälter hatte er in Vâlcanul zurückgelassen, weil er ihn nicht mehr brauchte. Er zog jetzt in den Krieg, und welches Schicksal auch immer dort oben auf ihn wartete – keine Macht der Erde hätte ihn jetzt noch zur Umkehr bewegen können.
    Vor ihm schlängelte sich die verschneite Straße bis hoch zum Tor des Schlosses. Selbst wenn Joel davon geträumt hätte, wie ein edler Ritter auf seinem Streitross auf seine Feinde zuzustürmen, hätten sich diese Träumereien beim Gedanken an den Angriff in Venedig rasch in Luft aufgelöst. Für Stone arbeiteten nicht nur Vampire, sondern auch Menschen, und solange er keine Eckzähne zu sehen bekam, konnte er beide Arten von Gegnern nur dadurch unterscheiden, dass er sich ihnen mit dem Kreuz näherte. Der eine würde augenblicklich verenden, aber schon der nächste konnte ihm völlig unbeeindruckt eine Kugel durch den Kopf jagen. Er musste sich dem Schloss also mit größter Vorsicht nähern.
    Er war noch immer einen halben Kilometer entfernt, als er den Motor schließlich abstellte. Joel rollte noch ein Stück im Leerlauf dahin, dann sprang er vom Sattel und nutzte den Restschwung der Maschine, um sie von der Straße zu schieben und hinter einem großen Felsbrocken am Rand zu verstecken.
    Jetzt wird’s ernst, Solomon.
    Er musterte die Umgebung im fahlen Mondlicht. Die Burg war offensichtlich errichtet worden, um jeder Belagerung zu widerstehen – und seine Baumeister hatten ihr Handwerk wahrlich beherrscht. Außer an der Seite, wo die Straße sich dem Tor näherte, stürzte überall der Fels von den Fundamenten der dicken Mauern steil ab. Vor der Neuzeit hätte keine Armee der Welt diese Festung erstürmen können. Und selbst wenn der eine oder andere es doch bis oben geschafft hätte, wäre er anschließend auf dem schmalen Streifen zwischen dem oberen Rand der Felswand und dem Fuß der Mauer den hinter den Zinnen lauernden Bogenschützen hilflos ausgeliefert gewesen.
    Ein einzelner geschickter Kletterer jedoch, bewaffnet lediglich mit einem steinernen Kreuz, hatte durchaus eine Chance, unentdeckt dort hochzukommen. Joel schaute sich die Wand genauer an: Bei der Dunkelheit und ohne jede Kletterausrüstung war das ein ziemlicher Irrsinn. Aber er hatte keine andere Wahl. Er würde es versuchen müssen.
    Joel öffnete den Reißverschluss seines Rucksacks und kippte den gesamten Inhalt – Kleidung, Spirituskocher, Lebensmittel und alles, was nur überflüssiges Gewicht darstellte – in den Fußraum des Beiwagens. Statt dessen steckte er das Kreuz ein und schloss vorsichtig Reißverschluss und Klettverschlüsse, bevor er seine Jacke auszog und die Riemen des Rucksacks über seinem Sweatshirt um Schultern und Taille schlang. Schon der Gedanke daran, dass er nun eine wandelnde Anti-Vampir-Waffe war, die bereits durch ihre bloße Gegenwart tödlich wirkte, machte ihm Mut. Das Adrenalin rauschte so hochkonzentriert durch seine Adern, dass er nicht einmal mehr die Kälte spürte, als er die verschneite Böschung hinabrutschte und sich im Zickzack seinen Weg durch die Bäume zum Fuß der Felswand bahnte.

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    Kapitel 79
    G enau zwei Stunden, nachdem Gabriel Stone sie im großen Saal allein gelassen hatte, wurde Alex erneut gerufen, und Lonsdale geleitete sie durch die gewundenen Korridore des Schlosses, immer gefolgt von den Vampiren, die sie bewachten.
    Sie registrierte Lonsdales schleppenden Gang, seine glanzlosen Augen und die Art, wie er beim Gehen den Kopf hängen ließ. Die alte Praxis, Menschen als Ghule zu versklaven, hatte zu den ersten Dingen gehört, die vom Verband abgeschafft worden waren. Dass Gabriel Stone sich auch in diesem Punkt gegen das Gesetz gestellt hatte, war ja nicht anders zu erwarten gewesen. Lonsdale gab ein Bild des Jammers ab – so sehr, dass er ihr schon fast ein bisschen leidtat.
    Der bleiche Ghul führte sie durch eine große Tür in einen hellerleuchteten und modern

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