Der Aufstand
Gemurmel.
«Hingerichtet?»
, stieß Lerouge unter wilden Blicken nach allen Seiten hervor. «Sie haben uns doch versprochen, uns lediglich ins Exil zu schicken –»
«Kleine Täuschung meinerseits», räumte Stone mit einer entschuldigenden Geste ein. «Aber wie hätte ich sonst aus Ihnen allen eine so wunderbare Vorstellung herausholen sollen?»
Lerouge schrie auf und schlug um sich. «Damit kommen Sie niemals durch!»
Stone gab einem der Wächter ein Zeichen, woraufhin dieser Lerouge den Kopf abschlug, der in den Kamin fiel und dort zischend liegen blieb. Die übrigen Vorstände zuckten zusammen und schluchzten. Harry Rumble dagegen starrte Stone nur wortlos an.
«Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei meinem Angebot, Alexandra. Ich warte. Enttäuschen Sie mich nicht.»
«Hier kommt meine Antwort, Gabriel», erklärte Alex mit Blick auf Olympia. «Sie hatten recht. Ich habe für Tyrannen gearbeitet. Im Herrscherrat gibt es keinen einzigen anständigen Vampir. Ich habe mich zur Handlangerin seiner korrupten Politik machen lassen. Und das viel zu lange. Aber jetzt sehe ich alles mit anderen Augen.»
Stone ging zu Alex und legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Sie machen mich sehr glücklich.»
«Das kann nicht dein Ernst sein, Gabriel», giftete Lillith.
«Sie haben mich nicht ausreden lassen,
Gabriel
», fuhr Alex fort. «Ich habe diese Leute zwar durchschaut, laufe deswegen aber noch lange nicht zu Ihnen über. Nicht nach allem, was Sie mir erzählt haben. Ja, ich bin ein Vampir, aber so wie Sie könnte ich nie sein.» Sie holte tief Luft. «Deshalb lautet meine Antwort nein. Ich glaube immer noch an das, was die Federation hätte werden können, noch werden kann und eines Tages auch werden wird.»
Betretenes Schweigen senkte sich über den Raum. Nur Lillith lächelte. Stone zog die Brauen hoch und stieß einen Seufzer des Bedauerns aus.
«Dann ist leider auch Ihr Kopf fällig», sagte er. «Beginnen wir mit der Exekution.»
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Kapitel 80
D er schneidende Wind setzte Joel beim Aufstieg schwer zu. Schon bald waren seine Hände blutig geschürft, und jeder Muskel in seinem Körper flehte ihn an aufzuhören. Das aber war nicht so einfach, wenn man in einer steilen Felswand hing und der Talboden dreihundert Meter tiefer in der Dunkelheit verborgen lag. Ein vorsichtiger Blick in die Tiefe zeigte Joel, wie weit er schon gekommen war. In wenigen Minuten würde er unten an der Mauer sein.
Wie eine Spinne arbeitete er sich weiter, wobei er sich bei der mühseligen Suche nach immer neuen Punkten, an denen seine Hände und Füße ausreichend Halt fanden, mehr auf sein Gefühl verließ als auf das schwache Mondlicht. Klettern ist ein Strategiespiel. Wer einen Berg bezwingen will, muss vor allem die richtige Route wählen; entscheidet man sich für die falsche, wird der Berg gewinnen.
Joel schien schon auf der Siegerstraße, als ein schmales Felsband, das seinem linken Fuß Halt zu versprechen schien, plötzlich knackend nachgab. Durch die plötzliche Gewichtsverlagerung konnte Joel sich mit der linken Hand nicht mehr festhalten. Er spürte, wie er zu fallen begann, schneller und immer schneller, während er verzweifelt nach einem neuen Halt suchte. Er schrie nicht auf, so schnell lief in diesem Augenblick gespenstischer Stille alles ab; seine Verblüffung wich zunächst der Weigerung, sich das Unvermeidliche einzugestehen, und schließlich dem Schock, als ihm dann doch klar wurde, dass ihm ein tiefer Sturz bevorstand.
Etwas schrammte über sein Gesicht, als sein Fall plötzlich unter lautem Splittern und Knacken aufgehalten wurde. Ein stechender Schmerz schoss ihm durch die rechte Schulter, und er spürte, wie sein Fleisch aufriss. Dann wurde der Hüftgurt seines Rucksacks mit derart brutaler Wucht gegen seine unteren Rippen gedrückt, dass ihm die Luft wegblieb. Joel trat mit den Füßen in der Luft hilflos um sich, während er an etwas hing, das seinen Sturz aufgehalten hatte. Das mit Fichten bestandene Tal lag tief unter ihm.
Als er den Kopf unter Schmerzen nach oben drehte, sah er, dass ein aus der Felswand ragender abgestorbener Baum sich durch den rechten Riemen seines Rucksacks geschoben und ihm dabei die Schulter aufgerissen hatte. Der Baum war aus einem Überhang gewachsen, den Joel auf dem Weg nach oben gemieden hatte. Schon sickerte Blut durch sein Sweatshirt, während er dahing wie ein Fisch am Haken.
Joel versuchte, mit den Beinen Schwung zu holen, um wieder an die
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